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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0047
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Überblickskommentar TJ

von JGB unterschiedlich wahrnehmen, da jeder Leser andere Abschnitte für
zentral erachten wird, je nach seiner spezifischen Empfindlichkeit für N.s An-
griffe. Jeder Leser ist also dazu aufgefordert, individuell zu gewichten. Es ließe
sich mithin postulieren, JGB sei ein Buch, dessen Aufbau und Gehalt sich
durch den individuellen Akt der Rezeption auf jeweils andere Weise erst kon-
stituieren.

5 Stellenwert von Jenseits von Gut und Böse in N.s Schaffen
An Ernst Wilhelm Fritzsch schrieb N. am 07. 08.1886: „Auf der Rückseite vom
Umschlag des letzterschienenen Buchs [sc. JGB] finden Sie eine Art Überblick
und Programm über meine bisherige und zukünftige Thätigkeit. Es sollen 10
Werke und nicht mehr sein, mit denen ich ,übrig4 bleiben will“ (KSB 7/KGB III/
3, Nr. 730, S. 226, Z. 78-81). Auf dieser Umschlagrückseite der Erstausgabe
stellte N. nach JGB noch drei weitere Werke in Aussicht, von denen er zwei
jedoch nie schreiben, geschweige denn publizieren sollte: „Der Wille zur
Macht“, „Die ewige Wiederkunft“ und „Lieder des Prinzen Vogelfrei“ (KGW VI
2, 257, vgl. auch den Abdruck im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel,
Nr. 182, 9. August 1886). Auf die Zehnzahl der Titel scheint N. so sehr wert
gelegt zu haben, dass er nicht nur den Titel zweier Werke antizipierte, die nie
das Planungsstadium überschritten, während ein anderes, Lieder des Prinzen
Vogelfrei, 1887 der Neuauflage der Fröhlichen Wissenschaft beigegeben wird,
aber dort nur wenige Seiten umfasst (KSA 3, 639-651). Diese Sammlung enthält
mit zwei Ausnahmen die teils veränderten Gedichte des bereits 1882 publizier-
ten Gedichtzyklus Idyllen aus Messina (vgl. hierzu NK 3/1), den die JGB-Werk-
liste wiederum unterschlägt. Das Bemühen, seine Werke als eine Art philoso-
phischen Dekalog - was von einem Selbstverständnis als philosophischer Ge-
setzgeber zeugt - zu gruppieren, ist offensichtlich. Überdies korrespondiert die
Zehnzahl der Werke in auffälliger Weise mit der Zehnzahl der Abschnitte von
JGB - genauer: mit den neun „Hauptstücken“ und dem Gedicht „Aus hohen
Bergen. Nachgesang“: Lyrisch ist auch das letzte Werk der Liste auf dem JGB-
Rückumschlag, die Lieder des Prinzen Vogelfrei.
Freilich ist die Platzierung von JGB selbst auf dieser Werkliste des Um-
schlags nicht besonders herausgehoben. Bis in die Gegenwart scheiden sich
die Geister daran, ob diesem Buch eine herausragende Stellung zukommt oder
nicht. N.s Freunde Rohde und Overbeck hielten es für einen Rückfall, Carl Spit-
teier überging es in seiner frühen N.-Gesamtwürdigung für den Berner Bund.
Ihnen gegenüber stehen philosophische Interpreten wie Leo Strauss, Laurence
Lampert, Paul van Tongeren und Marcus Andreas Born, die, wenn auch aus
 
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