Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0094
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7k Jenseits von Gut und Böse

tatsächlich schon im Juni 1885 abgeschlossen gewesen, vgl. NK ÜK JGB, Ab-
schnitt 1. Hier hätte NL 1886/87, KSA 12, 6[4], 232,10-18 etwas Licht ins Dunkel
der Datierung bringen können: „Meine Schriften reden nur von meinen eignen
Erlebnissen [...]. Aber es bedurfte bei mir immer erst einiger Jahre Distanz, um
jene gebieterische Lust und Kraft zu verspüren, welche jedes solches Erlebniß,
jeden solchen überlebten Zustand darstellen heißt. Insofern sind alle meine
Schriften [...] zurückdatirt.“ Zur Datierungsfrage vgl. auch Röllin 2012,
178 f.
Über der vielschichtigen Frage, wann und wo JGB entstanden sei, wird
freilich leicht ein trivialer Umstand übersehen: Denn tatsächlich ist zwar JGB
lange nach „Juni 1885“ in der bekannten Gestalt entstanden, jedoch ist der
Text, der später die Vorrede von JGB sein sollte, zu einem guten Teil bereits in
jenen Aufzeichnungen enthalten, die N. zwischen dem 8. Juni und dem 6. Juli
1885 Louise Röder-Wiederhold diktiert hat (vgl. NK ÜK JGB Vorrede u. Röllin
2013, 57). Bezogen auf diesen Text ist die Zeit- und Ortsangabe also korrekt,
und nur wenn der Leser der alten Lektürekonvention folgt, die Datierung zu
Beginn auf das gesamte Buch zu übertragen, wird er texthistorisch in die Irre
geführt und unterliegt einer zumindest zur Hälfte selbsterzeugten textopti-
schen Täuschung.
Erstes Hauptstück: von den Vorurtheilen der Philosophen.
Die Struktur des Ersten Hauptstücks von JGB ist schwer zu rekonstruieren, weil
es offensichtlich nicht einer durchgehenden narrativen (Nehamas 1988, 46)
oder argumentativen Linie folgt, so dass man es eher als eine Art inneren Mo-
nolog verstehen könnte (ebd., 51), der nicht auf Linearität gepolt ist. Heit
2014c, 30 f. schlägt bei aller Vorsicht eine Grobgliederung der 23 Abschnitte
wie folgt vor: „nach einer Exposition des Themas in JGB 1-2 fragen die Ab-
schnitte 3-8, 12-13 und 18-19 vornehmlich nach dem Menschen und die Ab-
schnitte 9-11,14-17 und 20-22 vornehmlich nach dem Wissen, während Apho-
rismus 23 einen programmatischen Ausblick bildet“ (alternative Gliederungs-
vorschläge resümiert Heit 2014c, 31, Fn. 2 nach Lampert 2001,18-60; Burnham
2007, 9-44; Mauch 2009,167 f.; Acampora/Ansell-Pearson 2011, 29-52 u. Clark/
Dudrick 2012). Wesentlich ist die Feststellung von Tanner 1986, 205, dass die-
ses Erste Hauptstück trotz seines Titels keineswegs nur oder zur Hauptsache
von den akademischen Philosophen handelt. Auch N. scheint für sich selber
am Philosoph-Sein festzuhalten (Tanner 1986, 207).
Der Begriff des Vorurteils, der nicht nur im Titel des Hauptstücks, sondern
auch einige Male im Text verwendet wird, hat unter englischsprachigen Inter-
preten einige Verwirrung ausgelöst. Wenn beispielsweise Clark/Dudrick 2012,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften