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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0093
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Stellenkommentar JGB Vorrede, KSA 5, S. 13 73

deutscher Übersetzung waren N. früh geläufig - den exemplarischen Christen
da, dessen Intellektualität gegen die irrationalen Zumutungen dieser Religion
rebellierte, und der sich doch der Autorität der christlichen Lehre und Moral
unterwarf (vgl. zu N.s Pascal-Rezeption z. B. NK KSA 6, 94, 28-30 u. NK KSA 6,
171, 30-34; ferner zu KSA 14, 346 auch Vivarelli 1998, 98). Seine Polemik gegen
die Jesuiten formulierte Pascal unter Pseudonym in seinen Lettres ecrites par
Louis de Montalte ä un Provincial de ses amis et aux R. R. Peres Jesuites (1656/
57), die im Geiste des Jansenismus und dessen strenger Gnadentheologie die
jesuitische Kasuistik und Abspannungsmoral satirisch attackierten, so dass
Pascal schließlich in der von N. studierten Literatur fast redensartlich als „der
große Jesuitenfeind“ (Hillebrand 1875, 276) erscheinen konnte.
In der definitiven Fassung der Vorrede von JGB bleibt zwar der Jesuitismus
übrig, aber Pascal als schärfster Gegner entfällt - und der Sprechende tritt
selbst an die Stelle des Jesuiten- und Aufklärungsgegners (vgl. Brusotti 2012b,
60-62, ferner Brusotti 1997, 203, Fn. 381), wobei jetzt der Begriff des Jesuitis-
mus im Sinne Eduard von Hartmanns als allgemeine Gegenwartstendenz der
Entmündigung und Entmachtung des Individuums zugunsten einer allgemei-
nen Glücks-Heteronomie gefasst wird (vgl. NK 13, 6). Pascal setzte dem zwar
seinen Pessimismus und seine Einsicht in die Glücks-Unfähigkeit des Individu-
ums entgegen, aber eben nur unter Inkaufnahme eines weltflüchtigen Chris-
tentums, unter der bleiernen „Wolkendecke von Port-Royal“. Die düstere Sze-
nerie des jansenistischen Zentrums, des Klosters Port-Royal nach seiner Zerstö-
rung wird z. B. auch geschildert bei Taine 1880a, 3, 70.
13,13-15 wir haben sie noch, die ganze Noth des Geistes und die ganze Span-
nung seines Bogens] Vgl. NK 13, 1-3 u. Pieper 2014, 23-25.
13, 17f. Sils-Maria, Oberengadin / imjuniisss] Auf genau diese Ortsangabe
und Datierung legte N., wie aus seinem Brief an Constantin Georg Naumann
vom 19. 07.1886 hervorgeht, bis in die Typographie hinein besonderen Wert:
„Schließlich bitte ich, unter die Vorrede nicht nur zu setzen ,Sils-Maria, im
Juni 1885‘, wie im Manuskript steht, sondern, deutlicher: / Sils-Maria,
Oberengadin / im Juni 1885 (Letzteres ganz klein!)“ (KSB 7/KGB III/ 3, Nr. 723,
S. 211, Z. 29-33). Diese Frühdatierung der Vorrede zu einem Werk, das ja eigent-
lich erst erheblich später Gestalt annahm, hängt wohl damit zusammen, dass
N. die auch zeitliche Verbindung zu Za besonders deutlich hervortreten lassen
wollte (siehe Scheier 1990, XXXIII): Wie er an Köselitz am 20. 07.1886 geschrie-
ben hatte, war es ihm bei der Abfassung von JGB schwer gefallen, „zu reden
(noch mehr: den Ort zu finden, von wo aus ich reden konnte), nämlich
unmittelbar nach dem ,Zarathustra“4 (KSB 7/KGB III/ 3, Nr. 724, S. 212, Z. 15-
17). Die Frühdatierung hat dann auch die irrige Annahme genährt, JGB wäre
 
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