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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0110
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90 Jenseits von Gut und Böse

Weise vererbt, dass unsere ganze Handlungsweise durch die Vererbung im We-
sentlichen bereits fixirt ist“ (Schneider 1882, 74 f.).
17, 28 f. dass das Bestimmte mehr werth sei als das Unbestimmte] Vgl. NK 18,
1-3.
17, 31-18, 3 Vordergrunds-Schätzungen sein, eine bestimmte Art von niaiserie,
wie sie gerade zur Erhaltung von Wesen, wie wir sind, noth thun mag. Gesetzt
nämlich, dass nicht gerade der Mensch das „Maass der Dinge“ ist ] Die in
KSA 14, 348 mitgeteilte Vorstufe dazu lautet: „Vordergrunds-Schätzungen sein,
vermöge deren der Wille zur Macht eine bestimmte Art von Wesen durch-
setzt (diese Wesen müssen über alles leicht, nahe, bestimmt, berechenbar,
also grundsätzlich in der logischen Perspective sehen -)“. ,,[N]iaiserie“
meint Albernheit, Einfalt, Nichtigkeit und ist bei N. erstmals belegt in NL 1884,
KSA 11, 25[126], 47, 4-6, einer exzerpierten Bemerkung von Hippolyte Taine
über Balzac: ,„Die Tugend als Umformung oder Entwicklungsstufe einer Lei-
denschaft oder einer Gewohnheit4: l’orgueil, la raideur d’esprit, la niaiserie
obeissante, la vanite, le prejuge, le calcul.“ In Taines Balzac-Aufsatz heißt es:
„Pour lui [sc. le naturaliste], la vertu est un produit, comme le vin ou le vinai-
gre, excellent, ä la verite, et qu’il faut avoir chez soi en abondance, mais qui
se fabrique comme les autres, /107/ par une Serie connue d’operations fixes,
avec un effet mesurable et certain. Ordinairement, eile n’est que la transforma-
tion ou le developpement d’une passion ou d’une habitude; l’orgueil, la rai-
deur d’esprit, la niaiserie obeissante, la vanite, le prejuge, le calcul y aboutis-
sent“ (Taine 1880b, 106 f. „Für ihn [sc. den Naturalisten] ist die Tugend ein
Produkt, wie Wein oder Essig, ausgezeichnet allerdings, und von dem man zu
Hause reichlich haben muss, aber das sich wie anderes durch eine bekannte
Reihe fixer Operationen herstellen lässt, mit messbarer und sicherer Wirkung.
Gewöhnlich ist sie nur die Veränderung oder die Entwicklung einer Leiden-
schaft oder einer Gewohnheit; der Stolz, die Geistesstarre, die gehorsame Ein-
falt, die Eitelkeit, das Vorurteil, die Berechnung münden darein.“). Von 1884
an kommt der Ausdruck „niaiserie“ bei N. häufiger vor; dies akzentuiert seine
Frankophilie und gibt auch in JGB 3 wenig Spielraum für die esoterischen Spe-
kulationen, die Clark/Dudrick 2012, 57 darüber anstellen.
18,1-3 Gesetzt nämlich, dass nicht gerade der Mensch das „Maass der Dinge“
ist ] Dieser Bezug auf den berühmten homo-mensura-Satz des Protagoras
von Abdera, dem zufolge „der Mensch das Maß aller Dinge“ sei, „der seienden,
daß sie sind, der nicht seienden, daß sie nicht sind“ („ndvTWV xpqpötTWV
pETpOV ECTTIV ävöpGJnOq, TWV pcv ÖVTGJV (bcj ECTTl, TWV ÖS OVK OVTGJV (b(; OVK
EOTi.“ Diels/Kranz 1951, 80 B 1), dient am Ende von JGB 3 einerseits dazu, den
Horizont wieder ins Unbestimmte zu öffnen, während die Vorstufe (siehe NK
 
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