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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0149
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Stellenkommentar JGB 11, KSA 5, S. 24 129

24, 5-8 Das Wesentliche an ihnen ist nicht, dass sie „zurück“ wollen: son-
dern, dass sie — weg wollen. Etwas Kraft, Flug, Muth, Künstlerschaft mehr:
und sie würden hinaus wollen, — und nicht zurück!] Im Unterschied zur vor-
herrschenden Tendenz der in JGB vorangegangenen Bemerkungen über die
Philosophen der Gegenwart und der Vergangenheit wird am Ende von JGB 10
nicht die unüberwindliche Differenz zu den Philosophen der Zukunft moniert,
sondern auf mögliche Kontinuitäten aufmerksam gemacht, wenngleich in iro-
nischer Weise: Den Philosophen der Zukunft wären die Philosophen der Ge-
genwart nämlich nur ähnlich, sofern sie mehr „Kraft, Flug, Muth, Künstler-
schaft“ besäßen als sie es tatsächlich tun, sofern sie also nicht sie selbst wären.
11.
Es fällt auf, dass N. 1888 in einer exakten Parallelaktion zu JGB 11 auch AC 11
ausschließlich der Kant-Kritik widmen wird, dort mit dem Hauptaugenmerk
auf der praktischen Philosophie (vgl. NK 6/2, S. 72-77).
Eine frühere Fassung von JGB 11 in N VII1 lautet: ,„Wie sind synthetische/
Urtheile a priori möglich?4 - Durch ein Vermögen, d. h. antworten: sie sind
möglich, sie sind da, wir können das. Aber die Frage ging nach dem ,Wie?‘
Also Kant constatirt eine Thatsache ,daß‘, aber damit giebt es keine Erklärung.
Zuletzt ist das Vermögen4 eine hypothetische Kraft, eine Annahme von der Art,
wie die vis soporifica im Opium. Meine Auffassung: daß alle Ideen ,Causalität4,
das Unbedingte, die Seele, das Sein, der Stoff, der Geist-die Begriffe sind
entstanden auf eine logisch schlechte Weise, nämlich wie die Etymologie zu
erkennen giebt, so daß Ein Charakteristikum zum Zeichen für ähnliche Dinge
diente. Die Ähnlichkeit wurde allmählich mit der Verschärfung der Sinne
und der Aufmerksamkeit, seltner zugestanden: und zur inneren Bezeichnung
eines Dings umlief der Geist eine Reihe von Erkennungszeichen von Wiederer-
kennungszeichen: damit faßte er das Ding, begriff es, es ist ein Greifen und
Fassen darin.“ (KSA 14, 349; zum Aspekt der Ähnlichkeit vgl. NL 1885, KSA 11,
38[14], 613-615).
Eine Vorfassung des ersten Teiles von JGB 11 findet sich in Dns Mp XVI, Bl.
40r (Röllin 2012, 208 f.) sowie in NL 1885, KSA 11, 38[7], 604f.: „Man ist jetzt
überall bemüht, von dem eigentlichen großen Einflüsse, den Kant in Europa
ausgeübt hat, den Blick abzuziehen — und namentlich über den Werth, wel-
chen er sich selber zugestand, klüglich hinwegzuschlüpfen. Kant war vor Al-
lem und zuerst stolz auf seine Kategorien-Tafel und sagte, mit dieser Tafel in
den Händen: ,das ist das Schwerste, was jemals zum Behufe der Metaphysik
unternommen werden konnte4 (man verstehe doch dies »werden konnte4!) —
er war stolz darauf, im Menschen ein neues Vermögen, das Vermögen zu syn-
 
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