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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0165
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Stellenkommentar JGB 12, KSA 5, S. 26 145

deweisen abhold ist und von den üblichen Gepflogenheiten abrücken will.
Dieser Text, der darauf abzielt, sich gleichzeitig innerhalb einer Wissenschafts-
landschaft und gegen sie zu positionieren, stellt mit der Absage an den Materi-
alismus unter Berufung auf Boscovich eine Vorlage für JGB 12 dar, wo freilich
der heuristische Ausblick auf die (künftige) Funktion von Philosophie als „vor-
läufige Regulative der Forschung“ entfällt: „Wenn ich an meine philosophi-
sche Genealogie denke, so fühle ich mich im Zusammenhang mit der antiteleo-
logischen, d. h. spinozistischen Bewegung unserer Zeit, doch mit dem Unter-
schied, daß ich auch ,den Zweck4 und ,den Willen4 in uns für eine Täuschung
halte; ebenso mit der mechanistischen Bewegung (Zurückführung aller morali-
schen und aesthetischen Fragen auf physiologische, aller physiologischen auf
chemische, aller chemischen auf mechanische) doch mit dem Unterschied, daß
ich nicht an,Materie4 glaube und Boscovich für einen der großen Wendepunkte
halte, wie Copernicus; daß ich alles Ausgehen von der Selbstbespiegelung des
Geistes für unfruchtbar halte und ohne den Leitfaden des Leibes an keine gute
Forschung glaube. Nicht eine Philosophie als Dogma, sondern als vorläufige
Regulative der Forschung.“ (NL 1885, KSA 11, 26[432], 266; zur spinozis-
tisch-antiteleologischen und zugleich anti-atomistischen Ausrichtung von den
in Texten N.s zu findenden naturphilosophischen Überlegungen siehe auch
Whitlock 1996; zu N. und Boscovich u. a. Small 1985/86; Abel 1998, 85-90;
Whitlock 1999; Small 2001, 90-93 u. 117 f. u. ausführlich Gori 2007).
Von Julius Robert Mayer las N., wie aus seinem Brief vom 16. 04.1881 an
Köselitz hervorgeht (KSB 6/KGB III/l, Nr. 103, S. 84, Z. 2-5 u. S. 85, Z. 17 f.),
zunächst Die Mechanik der Wärme in gesammelten Schriften (2. Auflage 1874)
sowie den dazu beigebundenen Aufsatz Über Auslösung (Mayer 1876, 9-16). Zu
N. und Mayer siehe NK 139, 25-30 sowie z. B. Small 2004 u. Mittasch 1942/43,
ferner Agell 2006, 176-179, zum Einfluss von Mayer auf Max Weber über den
Umweg von N. und Heinrich Rickert siehe Wagner 2015, bes. 26.
26,17-22 Was die materialistische Atomistik betrifft: so gehört dieselbe zu den
bestwiderlegten Dingen, die es giebt; und vielleicht ist heute in Europa Niemand
unter den Gelehrten mehr so ungelehrt, ihr äusser zum bequemen Hand- und
Hausgebrauch (nämlich als einer Abkürzung der Ausdrucksmittel) noch eine
ernstliche Bedeutung zuzumessen] Der Bezugspunkt ist hier im Unterschied zum
oben mitgeteilten Brief an Köselitz vom 20. 03.1882 nicht unmittelbar Julius
Robert Mayer, sondern vielmehr die Materialismus-Debatte, die N. insbesonde-
re dank der Lektüren von Afrikan Spirs Denken und Wirklichkeit, von Otto
Schmitz-Dumonts Einheit der Naturkräfte sowie von Carl von Nägelis Mecha-
nisch-physiologischer Theorie der Abstammungslehre vor Augen stand. Die
Formel „materialistische Atomistik“ dürfte sich N. direkt bei Spir 1877, 1, 353
geborgt haben, wo diese Denkweise als ein untauglicher Versuch galt, „die
 
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