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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0185
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Stellenkommentar JGB 15, KSA 5, S. 29 165

wäre, da physiologische Erfahrungen schon die Erkenntniss der Körperwelt
voraussetzen und folglich nicht zur Erklärung ihres Ursprungs selbst gebraucht
werden können.“ Dazu die erläuternde Fußnote: „Das heisst, physiologische
Erfahrungen dürfen zur Erklärung der Körpererkenntniss verwendet werden,
aber nur auf dem Standpunkte der Physiologie, überhaupt der Erfahrung, wel-
che unsere Empfindungen als eine Welt von Körpern zeigt. Die Erkenntnissleh-
re dagegen kann solche Erfahrungen nicht gebrauchen, da sie erst zu zeigen
hat, wie wir überhaupt dahin kommen, unsere Empfindungen als eine Welt
von Dingen äusser uns zu erkennen.“ (Spir 1877, 1, 135) Ausführlich von der
„Realität der Aussenwelt“ sprach Spir im zweiten Band seines Werkes (Spir
1877, 2, 90), als er „die Eigenschaft eines Dinges, einen Raum zu erfüllen, räum-
lich ausgedehnt zu sein“ als „logisch widersprechend“ behandelte: „Dass die
von uns wahrgenommenen Körper nicht äusser uns existiren, das steht äusser
allem Zweifel.“ (Ebd., 91) „Zieht man von der Vorstellung der Körper Alles, was
in unseren Empfindungen gegeben ist, ab, so bleibt bloss der Gedanke von
Etwas, dessen Wesen aus lauter Relationen besteht, übrig. Aber eine Substanz,
die aus Relationen besteht, ist eine contradictio in adjecto“ (Ebd., 93. Seite
von N. mit Eselsohr markiert.) Mit einem Randstrich hat N. schließlich Spirs
Schlussfolgerung markiert: „Thatsache ist, dass unsere Sinnesempfindungen
selbst als eine Welt von Dingen im Raume erkannt werden und dass sie von
Natur dieser Erkenntniss angepasst sind. Keine äusseren Ursachen können die-
se rein innere Thatsache erklären, welche aus rein inneren Gründen entsteht.“
(Ebd., 99) Indes hat N. sich keineswegs nur in derlei radikal antimaterialisti-
scher Literatur umgetan, sondern etwa auch bei Philipp Spillers Die Urkraft
des Weltalls Sätze zur Kenntnis nehmen können wie, dass die „Zustände der
Aussenwelt oder gar ihr Sein [...] nicht bedingt durch die physiologische Be-
schaffenheit der Sinnesorgane“ seien (Spiller 1876, 50; zum Thema Zöllner
1872, 347 f. mit einem Vergleich von Schopenhauer und Helmholtz; ferner Bun-
ge 1886. Vgl. auch NK KSA 6, 91,1-4). Bei Otto Liebmann rief sich N. die kantia-
nisierende These von Unterhintergehbarkeit des menschlichen Erkenntnisap-
parats auf der Suche nach der Wirklichkeit in Erinnerung: „Schließlich käme
dann doch noch als hinkender Bote die verschwiegene Grundwahrheit zum
Vorschein, daß bei all unsren empirischen Erkenntnissen und wissenschaftli-
chen Theorieen bereits das menschliche Bewusstsein mit seinem sinnlichen
Anschauungs- und logischen Verstandesapparat vorausgesetzt ist, und daß wir
auf keine Weise Sicherheit über Das zu gewinnen im Stande sind, was eigent-
lich hinter diesem Anschauungs- und Verstandesapparat gesetzlich ent-
springenden Bilder- und Gedankenwelt stecken mag.“ (Liebmann 1880, 364.
N.s Unterstreichungen, von seiner Hand dazu die Randbemerkung: „ecco!“)
Überlegungen zur leiblichen Beschaffenheit der Sinnesorgane und deren Folge
 
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