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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0221
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Stellenkommentar JGB 21, KSA 5, S. 35-36 201

probehalber und scheint in Erinnerung an David Hume Kausalität für ein kon-
ventionelles Arrangement ausgeben zu wollen (dagegen sieht Doyle 2012 N.s
Kausalitätsverständnis in der Tradition Kants).
Der Ausdruck „conventionelle Fiktion“ - in N.s Werken und Nachlass
nur in JGB 21 belegt - war damals durchaus geläufig; er ist N. etwa bei der
Lektüre der Übersetzung von John Stuart Mills Abhandlung über Auguste
Comte untergekommen, wo er im politischen Kontext Verwendung fand (Mill
1869-1886, 9, 50. Diverse Anstreichungen N.s auf dieser Seite. Vgl. auch Mill
1869-1886, 11, 205). In der Sache weist N.s philosophisch ambitionierterer
Gebrauch des Ausdrucks zurück auf Friedrich Albert Lange (der ihn nicht
verwendet) und voraus auf den Fiktionalismus von Hans Vaihinger (zu die-
sem Gentili 2013).
Zu den falschen und imaginären Ursachen im Verhältnis zur Frage der Wil-
lensfreiheit siehe auch NK 6/1, S. 335-341.
35, 31 f. gemäss der herrschenden mechanistischen Tölpelei, welche die Ursache
drücken und stossen lässt, bis sie „wirkt“] Im Druckmanuskript stand ursprüng-
lich stattdessen: „die Positivisten nicht ausgenommen“ (KSA 14, 350).
36, 6 da regiert] Fälschlich heißt es in KSA 5, 36, 6: „das regiert“. Das ist ein
Druckfehler; in der Erstausgabe steht unmissverständlich: „da regiert“ (Nietz-
sche 1886, 27).
36, 7-12 Wir sind es, die allein die Ursachen, das Nacheinander, das Für-ein-
ander, die Relativität, den Zwang, die Zahl, das Gesetz, die Freiheit, den Grund,
den Zweck erdichtet haben; und wenn wir diese Zeichen-Welt als „an sich“ in die
Dinge hineindichten, hineinmischen, so treiben wir es noch einmal, wie wir es
immer getrieben haben, nämlich mythologisch.] Vgl. NL 1885, KSA 11,
34[131], 464 (KGW IX 1, N VII1, 108 u. 107 u. 105). Eine 36, 7-12 vergleichbare
Skepsis gegenüber den Begriffen der Physik als adäquate Wiedergaben be-
wusstseinsunabhängiger Realitäten konnte sich N. inbesondere in Otto Lieb-
manns Gedanken und Thatsachen vergegenwärtigen, der diese Skepsis zu-
nächst auf die Realität des Raumes angewandt, dann aber doch zumindest im
Fragemodus ausgeweitet hat: „Wenn aus dem Umstande, daß uns kraft einer
nicht hin-/86/reichend erklärbaren Eigenthümlichkeit unseres Anschauungs-
vermögens die Phänomene des Gesichtsinns und Tastsinns in einem euklidi-
schen Raumschema localisirt erscheinen, die metaphysische Realität dieses
Raumes, mithin auch die des räumlichen Geschehens oder Ortswechsels eben-
sowenig gefolgert werden kann, als aus der empirischen Gegebenheit der gäo-
centrischen Himmelsbewegungen die Richtigkeit der Ptolemäischen Astrono-
mie, dann bleibt die Möglichkeit offen, daß der Raum selbst sammt allen
Raumbewegungen nichts Anderes sei, als eine von subjectiven Gesetzen unse-
 
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