Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0294
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
274 Jenseits von Gut und Böse

der „Wille zur Macht“, der in JGB 36 dominant wird, noch keine Rolle; stattdes-
sen steht die Idee der Ewigen Wiederkunft im Vordergrund. Ja, es wird sogar
ausdrücklich von ,,diese[r] Welt ohne Willen“ gesprochen, um die Differenz zu
Schopenhauer überdeutlich zu markieren. Dasselbe sprachliche Material be-
nutzte N. bei der vom ihm selbst korrigierten, im Sommer 1885 diktierten Auf-
zeichnung Dns Mp XVI, Bl. 32r-33r (vgl. die Edition mit N.s Korrekturen bei
Röllin 2012, 214 f.): „Und wißt ihr auch, was mir ,die Welf ist? Soll ich sie
euch in meinem Spiegel [Röllin 2012, 214: ,im Spiegel4] zeigen? Diese Welt: ein
Ungeheuer von Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von
Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht son-
dern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Aus-
gaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom
,Nichts4 umschlossen als von seiner Gränze, nichts Verschwimmendes, Ver-
schwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft ei-
nem bestimmten Raum eingelegt, und nicht einem Raume, der irgendwo ,leer4
wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zu-
gleich Eins und Vieles4, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd,
ein Meer in sich selber stürmender und fluthender Kräfte, ewig sich wandelnd,
ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe
und Fluth seiner Gestaltungen, aus den einfachsten in die vielfältigsten hi-
naustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten hinaus in das Glühendste,
Wildeste, Sich-selber-widersprechendste, und dann wieder aus der Fülle heim-
kehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust
des Einklangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen
und Jahre, sich selber segnend als das, was ewig wiederkommen muß, als ein
Werden, das kein Sattwerden, keinen Überdruß, keine Müdigkeit kennt -: die-
se meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-
selber-Zerstörens, diese Geheimniß-Welt der doppelten Wollüste, dieß mein
Jenseits von Gut und Böse, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel
liegt, ohne Willen, wenn nicht ein Ring guten Willens ist, auf eigner alter Bahn
sich immer um sich und nur um sich zu drehen: diese meine Welt, - wer ist
hell genug dazu, sie zu schauen, ohne sich Blindheit zu wünschen? Stark ge-
nug, diesem Spiegel seine Seele entgegen zu halten? Seinen eignen Spiegel
dem Dionysos-Spiegel? Seine eigne Lösung dem Dionysos-Räthsel? Und wer
das vermöchte, müßte er dann nicht noch mehr thun? Dem ,Ring der Ringe4
sich selber anverloben? Mit dem Gelöbniß der eignen Wiederkunft? Mit
dem Ringe der ewigen Selbst-Segnung, Selbst-Bejahung? Mit dem Willen
zum ewigen Wieder-und-noch-ein-Mal-Wollen? Zum Zurück-Wollen aller Din-
ge, die je gewesen sind? Zum Hinaus-Wollen zu Allem, was je sein muß? Wißt
ihr nun, was mir die Welt ist? Und was ich will, wenn ich diese Welt -
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften