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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0330
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310 Jenseits von Gut und Böse

am kräftigsten und schönsten emporwuchs, wird im Gegensatz zur europä-
ischen Heerden-Moral und Geschichts-Fälscherei so viel aus der Geschichte
entnehmen, daß dazu die Gefährlichkeit seiner Lage gesteigert, sein Erfin-
dungs- und Verstellungsgeist durch langen Druck und Zwang herausgefordert
werden muß, und daß folglich Härte, Grausamkeit, Verschwiegenheit, Unge-
müthlichkeit, Ungleichheit der Rechte, Krieg, Erschütterung aller Art, kurz der
Gegensatz aller Heerden-Ideale noth thut.“ In NL 1885, KSA 11, 37[8], 581, 30-
32 (KGW IX 4, W I 6, 41, 37 f.) wird dieselbe Überlegung noch dahingehend
ergänzt, dass durch solche Komplikation der Lage des Menschen „sein Lebens-
wille bis zu einem unbedingten Willen zur Macht und zur Übermacht gestei-
gert werden muß“. Der Satz, wonach die Pflanze hier stärker wachse als an-
derswo, stammt von Vittorio Alfieri; N. hat ihn sich in Stendhals Rome, Naples
et Florence mit einem Randstrich markiert: „Como, petite ville ä trente milles
de Milan, vient de bätir ä ses frais un theätre de huit cent mille francs, plus
beau qu’aucun de ceux de Paris, et siffle bien fort les grands acteurs de Milan
qui viennent y chanter. II faut toujours repeter: La Pianta uomo nasce piü ro-
busta qui ehe altrove.“ (Stendhal 1854b, 383. „Como, eine kleine Stadt dreißig
Meilen von Mailand, hat gerade auf eigene Kosten ein Theater von achthun-
derttausend Franc gebaut, schöner als irgendeines derjenigen von Paris, und
pfeift sehr stark die großen Schauspieler von Mailand, die kommen, um da zu
singen. Man muss immer wiederholen: La Pianta uomo nasce piü robusta qui
ehe altrove.“) Das Original wird ebenfalls zitiert: ,„La pianta uomo nasce piü
robusta in Italia ehe in qualunque altra terra [...]‘ (Alfieri.)“ (ebd., 345, vgl.
Regent 2008, 654-656. „Die Pflanze Mensch gedeiht in Italien robuster, als in
jedem anderen Land“). Auch Hippolyte Taine nimmt die Wendung auf (vgl.
Campioni 2009, 182, Fn. 29); N. konnte ihr überdies schon früh in Lord Byrons
Childe Harold begegnet sein (Byron 1864, 1, 117).
62, 5 Heerden-Wünschbarkeit] Vgl. NK 56, 21-25.
62, 6-14 Was Wunder, dass wir freien Geister' nicht gerade die mittheilsamsten
Geister sind? dass wir nicht in jedem Betrachte zu verrathen wünschen, wovon
ein Geist sich frei machen kann und wohin er dann vielleicht getrieben wird?
Und was es mit der gefährlichen Formel jenseits von Gut und Böse' auf sich hat,
mit der wir uns zum Mindesten vor Verwechslung behüten: wir sind etwas An-
deres als ,libres-penseurs‘, ,liberi pensatori',,Freidenker' und wie alle diese bra-
ven Fürsprecher der ,modernen Ideen' sich zu benennen lieben.] Vgl. NK KSA 6,
319, 6-17. Die italienische Version „liberi pensatori“ kommt bei N. nur an dieser
Stelle vor; tatsächlich haben sich die Freidenker Italiens auch als weltanschau-
ungspolitische Bewegung in Vereinsform organisiert. So erfolgte beispielsweise
1865 in Mailand die Gründung der Societä I Liberi Pensatori, ab 1866 erschien
 
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