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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0400
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380 Jenseits von Gut und Böse

Tun (wie es dem christlichen Gott zugeschrieben wird), aber doch ihre Prä-
gung, ihrer Formung. Die Metapher dafür ist die des Bildhauers, der aus einem
rohen Block eine Statue meißelt - und dem die unverständigen Menschen ins
Handwerk gepfuscht haben.
Epikurs Götter sind am Weltgeschehen gänzlich unbeteiligt und müssen
nicht einmal die kosmische Bewegung in Gang halten (vgl. Diogenes Laertius:
De vitis X 76 f.); vielmehr leben sie völlig autark und glückselig in den Inter-
mundien (vgl. ebd., X 123), so dass es für den um Seelenruhe Besorgten wün-
schenswert ist, unter Menschen wie ein Gott zu leben (ebd., X 135): Wenn JGB
62 einen solchen „epikurischen Gott“ zum Beobachter macht, so impliziert das,
dass sich dieser bei aller Weltbetrachtung nie in die Weltbelange einmischen
wird, sehr im Unterschied zu jenem Hammer-Gott, der ihn ablöst. Ideenge-
schichtlich hat auch dieser Bildhauer-Gott wie der Betrachter-Gott Epikurs hel-
lenistische Wurzeln: Der Neuplatoniker Plotin hat die Arbeit an sich selbst mit
der des Bildhauers verglichen, der unschöne Partien fortmeißelt, um so die
Selbstvergöttlichung, die Vergöttlichung des an sich arbeitenden Menschen vo-
ranzutreiben (Plotin: Enneaden I 6 [1] 9, vgl. auch schon den Demiurgen in
Platon: Timaios 28a-c, 29a u. 31a). Zu N.s Bildhauer- und Statuenmetaphorik
(ohne Bezug auf JGB 62) siehe auch Babich 2010.
83, 17-28 Menschen, nicht hoch und hart genug, um am Menschen als
Künstler gestalten zu dürfen; Menschen, nicht stark und fernsichtig genug, um,
mit einer erhabenen Selbst-Bezwingung, das Vordergrund-Gesetz des tausendfäl-
tigen Missrathens und Zugrundegehns walten zu lassen; Menschen, nicht vor-
nehm genug, um die abgründlich verschiedene Rangordnung und Rangkluft zwi-
schen Mensch und Mensch zu sehen: — solche Menschen haben, mit ihrem
„Gleich vor Gott“, bisher über dem Schicksale Europa’s gewaltet, bis endlich eine
verkleinerte, fast lächerliche Art, ein Heerdenthier, etwas Gutwilliges, Kränkli-
ches und Mittelmässiges, herangezüchtet ist, der heutige Europäer....] Die christ-
liche Vorstellung einer Gleichheit der Seelen vor Gott provoziert in AC heftigste
Ausfälle, weil sie die angeblich typisch christliche (und später politisch-demo-
kratische) Gleichmacherei schlagwortartig verdichtet, vgl. dazu NK KSA 6, 252,
24-253, 1. Dass aus der Gleichheit vor Gott keineswegs notwendig die Gleich-
heit der Menschen untereinander folgt, sondern Ungleichheit in den realen so-
zialen Beziehungen unter Verweis auf die finale Gleichheit vor Gott und auf
den damit in Aussicht gestellten eschatologischen Ausgleich geradezu zemen-
tiert werden kann (und in den christlichen Gesellschaften realiter auch zemen-
tiert worden ist), steht auf einem anderen, von N. allerdings nicht beschriebe-
nen Blatt. Vgl. NK 154, 10.
Der berüchtigte Begriff des Herdentiers, den N. u. a. der Anverwandlung
entsprechender Sprach- und Denkfiguren bei Galton 1883, 72 f. (vgl. Haase
 
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