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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0402
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382 Jenseits von Gut und Böse

Buch“ (Z. 13 f.) sowie „Jenseits von gut und böse.4 / Sentenzen-
Buch“ (Z. 15f.). Alle drei Titelentwürfe charakterisieren die Art der folgenden
Kurztexte also explizit nicht als Aphorismen, sondern als Sentenzen. Darüber-
hinaus ist der spätere Titel des Werkes JGB hier bereits ausdrücklich vorwegge-
nommen - ursprünglich stand anstelle von KSA 10, 53,15 f. aber: ,„Desayuno‘ /
,die Ernüchterung“4 (KSA 14, 667. „Desayuno“ ist das spanische Wort für „Früh-
stück“). Nach KSA 14, 667 sind die ersten beiden Titel samt dem Motto-Gedicht
(KSA 10, 53, 5-12) von N. später eingetragen worden (zum Gedicht vgl. die Vor-
stufe in NL 1882, KSA 10, 3[4], 108). So wichtig Heft Z 11 für das Vierte Haupt-
stück von JGB auch werden sollte, so hat N. daraus zwar viele Texte übernom-
men, aber keineswegs in der ursprünglichen Anordnung des Notizbuches, das
im Übrigen nicht nur 125, sondern 445 nummerierte Sentenzen umfasst. Für
weitere 11 Sentenzen im Vierten Hauptstück lassen sich andere Quellen aus
den Notizheften von 1882 oder 1883 nachweisen; nur wenige sind ohne solche
belegbaren Vorfassungen.
An seinen Verleger Naumann schrieb N. am 13. 06.1886: „Das unnumerir-
te, mit drei Sternen bezeichnete Stück, welches jetzt den Anfang vom vierten
Hauptstück macht (,Ach, was seid ihr doch etc.4) soll von dieser Stel-
le weg und an das Ende des neunten Hauptstücks gerückt werden d. h. an
den Schluß des Buches. Dort bekommt es die letzte Nummer und verliert seine
Sternchen“ (KSB 7/KGB III/3, Nr. 708, S. 194, Z. 2-7). Zunächst also stand der
dann im Druck als Schlusstext JGB 296 platzierte Text vor der Sentenzensamm-
lung „Sprüche und Zwischenspiele“ nicht als eigenständig nummerierter
Spruch, sondern als eine Art Lektüreanweisung (vgl. Born 2014b). Er spricht
„meine geschriebenen und gemalten Gedanken“ (KSA 5, 239, 19 f.) in selbstre-
ferentiellem Bezug direkt an und reflektiert darüber, wie sie, vor Kurzem „noch
so bunt, jung und boshaft“ (KSA 5, 239, 20 f.), jetzt schon ihrer „Neuheit“ (Zeile
23) entkleidet erscheinen. „Und nur euer Nachmittag ist es, ihr meine ge-
schriebenen und gemalten Gedanken, für den allein ich Farben habe, viel Far-
ben vielleicht, viel bunte Zärtlichkeiten und fünfzig Gelbs und Brauns und
Grüns und Roths: — aber Niemand erräth mir daraus, wie ihr in eurem Morgen
aussahet, ihr plötzlichen Funken und Wunder meiner Einsamkeit, ihr meine
alten geliebten-schlimmen Gedanken!“ (KSA 5, 240, 3-9) Damit waren
ursprünglich die „Gedanken“ des Vierten Hauptstücks für jeden Leser deutlich
als Blick in die eigene Denkvergangenheit ausgewiesen, als Retrospektive auf
Denk- und Schreibweisen, die einerseits unter dem Verdacht standen, inzwi-
schen obsolet zu sein, die andererseits aber bereit erschienen, „zu Wahrheiten
zu werden: so unsterblich sehn sie bereits aus, so herzbrechend rechtschaffen,
so langweilig!“ (KSA 5, 239, 24 f.). Mit dem späteren Text JGB 296 als Einleitung
wären die „Sprüche und Zwischenspiele“ zum einen auf Distanz gebracht und
 
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