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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0423
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Stellenkommentar JGB 82, KSA 5, S. 88 403

Zur Entstehungszeit von JGB wurde N.s abwertend-ironischer Gebrauch der
Wendung „wissenschaftlicher Mensch“ bereits rezipiert, so in einem zweiseiti-
gen Exkurs zu UB III SE in Adolf Langguths Goethes Pädagogik, wo auch die
oben zitierte Stelle aus UB III SE 4 paraphrasiert wird: Für Goethe sei „der
»wissenschaftliche Mensch mit seiner kalten Neutralität“4 kein Ideal gewesen
(Langguth 1886, 321). Langguths Buch scheint als Zeugnis früher N.-Rezeption
bisher nicht beachtet worden zu sein (fehlt z. B. in Reich 2013), vielleicht weil
darin der Name des Philosophen durchweg als „Nitzsche“ erscheint (bekannt
sind spätere Artikel Langguths zu N., siehe Kr I, 477 u. 484 sowie Kr II, 216).
Hingegen könnte N. durchaus Kenntnis von der akademischen Karriere seiner
Kritik am „wissenschaftlichen Menschen“ bekommen haben - das Vorwort von
Langguths Buch datiert von „Goethes Geburtstag 1885“ (Langguth 1886, 14),
also vom 28. 08.1885, dürfte also noch Ende 1885 oder Anfang 1886 ausgelie-
fert worden sein. Da der Seitenhieb auf den „wissenschaftlichen Menschen“ in
allen Vorstufen fehlt, und der „wissenschaftliche Mensch“ seine Anführungs-
zeichen erst in JGB 80, aber nicht bei seinen früheren Auftritten erhält, könnte
JGB 80 nicht nur als Selbstzitat, sondern durchaus auch als Bezugnahme auf
einen bereits bestehenden »Diskurs4, auf erste Phänomene der N.-Rezeption ge-
lesen werden.

81.
88,11-13 Es ist furchtbar, im Meere vor Durst zu sterben. Müsst ihr denn gleich
eure Wahrheit so salzen, dass sie nicht einmal mehr — den Durst löscht?] NL
1882/83, KSA 10, 5[11], 221, 10-12 lautet: „Es ist furchtbar, im Meere vor Durst
zu sterben: müßt ihr denn eure Weisheit so salzen, daß sie nicht wie gutes
Wasser schmeckt?“ Sprachlich abgewandelt kehrt der Gedanke in NL 1883,
KSA 10, 12[1]138, 395, 5f. und in NL 1883, KSA 10, 13[8], 458, 6f. wieder. Zum
Salz als Konservierungsmittel der Liebe in einer Lektüre N.s siehe Mantegazza
1877, 411, zum Motiv von Salz und Meer bei N. Strässle 2009, 221 f.

82.
88,15 f. „Mitleiden mit Allen“ — wäre Härte und Tyrannei mit dir, mein Herr
Nachbar! —] Die gedanklich ähnlichen Notate im Nachlass weichen im Wort-
laut jeweils ab. In NL 1882, KSA 10, 3[1]44, 58, 17 f. heißt es: „Wer mit dem
ganzen Geschlechte Mitleid hätte, müßte von jedem Einzelnen als hart und
tyrannisch empfunden werden.“ Dazu gibt es folgende von N. gestrichene Noti-
zen: „(1) Den Menschen wohl thun heißt sehr selten (2) Wer Jemandem nützt,
 
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