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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0434
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414 Jenseits von Gut und Böse

nahm N. in Anspruch, ,,[b]ei Lebzeiten“ gerade nicht berühmt, sondern erst
postum geboren werden zu wollen (vgl. NK KSA 6, 167, 5f.). Dann würde er
nicht gezwungen, „Schauspieler seiner Tugend“ zu werden. Eger 2001, 420 be-
merkt mit sarkastischem Unterton, N. habe 3[l]360 zu seinem „Leitspruch“ ge-
macht.

98.
91, 2f. Wenn man sein Gewissen dressirt, so küsst es uns zugleich, indem es
beisst.] Sprachlich nur geringfügig abweichend formuliert NL 1882, KSA 10,
3[1]335, 94, 10 f.: „Wenn man sein Gewissen dressirt, so küßt es uns zugleich
wenn es beißt.“ Diese Fassung ist nach KGW VII 4/1, 94 allerdings korrigiert
aus: „Wenn man sein Gewissen dressirt, so beißt es nicht, sondern küßt“, pos-
tuliert also einen Gegensatz. NL 1882, KSA 10, 3[1]138, 69, 22 hat noch lapidar
festgestellt: „Gewissensbisse erziehn zum Beißen.“ (Identisch in NL 1883, KSA
10, 12[1]1O7, 392,12 u. 13[8], 458, 10.) In dieser Fassung kehrt die Sentenz dann
auch in Za II Von den Mitleidigen, KSA 4, 114, 25 wieder. Der Biss des Gewis-
sens ist eine Metapher, mit der N. gelegentlich spielte, siehe die Nachweise in
NK KSA 6, 63, 18-20. Sie hat ihren Ursprung in Luthers Bibelübersetzung, vgl.
z. B. Hiob 27, 6: „mein Gewissen beißt mich nicht meines ganzen Lebens hal-
ber“ (Die Bibel: Altes Testament 1818, 544). In JGB 98 scheint die Lust am
selbstquälerischen Aspekt des Gewissensbisses anschaulich gemacht zu wer-
den, während die Fassung in KGW VII 4/1, 94 die Möglichkeit einer Überwin-
dung des Gewissensbisses hin zu einer außermoralischen Gewissensberuhi-
gung andeutet. Zur moralkritischen Dimension von N.s Reflexion über den Ge-
wissensbiss siehe NK KSA 6, 60, 14-16.

99.
91, 5 f. Der Enttäuschte spricht. — „Ich horchte auf Widerhall, und ich hörte nur
Lob — “] Der zweite Satz nach dem Spiegelstrich steht gleichlautend schon in
NL 1882, KSA 10, 3[1]243, 82,10. In KGW VII4/1, 83 werden dazu die folgenden,
von N. gestrichenen Vorüberlegungen zitiert: 1. „Mein Verlangen nach Lob
nennt ihr das? Ich habe ein Mein Verlangen rmeine Unzufriedenheitgeht nach
der Nymphe Echo.“ 2. ,„Mein Lied verlangt nach der Nymphe Echo - aber ihr
meint, ich wolle gelobt werden4 - sagte ein Sänger.“ 3. „Ich will nicht Lob,
sondern Wiederhall“. Die Erweiterung in NL 1883, KSA 10, 12[l]101, 391, 22-
392, 2 nimmt das Motiv des postumen Geborenwerdens vorweg (vgl. auch NK
90, 21 f.): „Ich horchte auf Widerhall, und ich hörte nur — Lob. / Mancher wird
 
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