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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0496
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476 Jenseits von Gut und Böse

Leben lässet für seine Freunde. Ihr seyd meine Freunde, so ihr thut, was ich
euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seyd, denn ein Knecht
weiß nicht, was sein Herr thut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde
seyd; denn alles, was ich habe von meinem Vater gehöret, habe ich euch kund-
gethan.“ (Johannes 15, 12-15. Die Bibel: Neues Testament 1818, 131.) Zu der
namentlich bei Paulus virulenten Idee einer „Befreiung von der Knechtschaft
des Gesetzes“ siehe unter N.s Lektüren Lüdemann 1872, 189 u. ö. Zur Interpre-
tation von JGB 164 vgl. auch Hödl 2009, 378 f.

165.
101,15-17 Angesichts jeder Partei. — Ein Hirt hat immer auch noch einen
Leithammel nöthig, — oder er muss selbst gelegentlich Hammel sein.] Zur Sper-
rung der Titelsequenz vgl. NK 88, 18-20. Die Fassung in NL 1882, KSA 10,
3[1]71, 61, 26 ist noch knapper: „Ein Hirt hat immer auch noch einen Leitham-
mel nöthig.“ Eine Variante in NL 1883, KSA 10, 22[3], 622, 17 f. lautet: „Nicht
nur die Heerde, auch der Hirt hat einen Leithammel nöthig.“ JGB 165 überträgt
nach dem Vorbild des biblischen Gleichnisses von Jesus als gutem Hirten, der
sich für seine Schafe aufopfert (Johannes 10, 1-17), den nüchternen landwirt-
schaftlichen Befund auf die Führung und Gefolgschaft unter Menschen. Schon
vor N. war dies sprichwörtlich, z. B.: „Wenn der Hirt auf die Heerde zürnt, gibt
er ihr einen blinden Hammel zum Führer.“ (Wander 1867-1880, 2, 684. Das ist
eine Variante der talmudischen Weisheit: „Wenn ein Hirt seiner Herde zürnt,
macht er den Leithammel blind.“ Mischna: Bava qama 52a). Was den JGB 165
zugrunde liegenden Befund angeht, so scheint er dem damaligen Stand der
Schafskunde entsprochen zu haben: „Der Hirt muß in der Regel Tritt für Tritt
seine Herde beobachten, sehr langsam vorausgehen, alle paar Schritte Halt
machen und sie auf diese Weise an ein höchst langsames Weiden gewöhnen
und dazu anhalten. Zu diesem Behufe muß sich jeder Knecht zu seiner Herde
mehrere gute Leithämmel mit Glocken abrichten, die ihm Tritt für Tritt durch
liebevolles Behandeln folgen, jeden Ruf und Wink verstehen lernen und die
übrige Herde führen“ (Krünitz 1825, 139, 299). Zur zivilreligiösen Karriere von
JGB 165 siehe Auffahrth 2003, bes. 220, zur philosophisch-metaphorologischen
Taureck 2004, 142.

166.
101,19 f. Man lügt wohl mit dem Munde; aber mit dem Maule, das man dabei
macht, sagt man doch noch die Wahrheit.] NL 1882, KSA 10, 3[1]422, 104, 15 f.
 
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