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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0553
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Stellenkommentar JGB 198, KSA 5, S. 117 533

unterschiedlichen biologischen Ausstattung hängen, sondern vielmehr an ei-
nem verschiedenen „milieu“, zu dem wesentlich das Klima gehört.
Während nicht nachzuweisen ist, ob N. von Kirchhoffs Vortrag, dem Artikel
in der Revue scientifique oder Firmins Adaption etwas wusste, hat er jedenfalls
Albert Trolles „anthropo-geographischen Versuch“ über Das italienische Volks-
tum und seine Abhängigkeit von den Naturbedingungen eingehend durchgear-
beitet und oft sarkastisch glossiert. Trolle beschäftigte sich sehr ausführlich
mit dem Einfluss des Klimas auf die Bewohner Italiens: „Die Mühelosigkeit des
Daseins, das dem Italiener durch die Natur seines Landes gegönnt wird, hat
indessen in socialethischer Beziehung neben Licht- auch ihre grossen Schat-
tenseiten.“ (Trolle 1885, 83. N.s Unterstreichungen, am Rand mit Ausrufezei-
chen markiert.) Diese Schattenseiten würden in der hohen Kriminalitätsrate
besonders sichtbar. Später wird von den Erscheinungsformen des Himmels
über Italien berichtet und über die „in der Atmosphäre reichlich, aber nicht
übermässig wie in der Tropenzone, wo der Himmel dadurch mehr eine weissli-
che Farbe erhält, aufgelöst enthaltenen Wasserdämpfe“ (ebd., 109). N. schrieb
dazu an den Rand: „NB nein / Nizza“. Wollte er damit aus eigener Erfahrung
für Nizza ein tropisches Klima in Anspruch nehmen, das es nach Trolle in Itali-
en nicht gibt? Auch Trolle war wie Ratzel und Hellwald überzeugt „von der
erschlaffenden Wirkung feuchter und durch keinen strengen Winter unterbro-
chener Hitze, welche für die Kulturentwickelung in den Tropen so hemmend
ist“ (ebd., 126) - was N. freilich zu keiner kritischen Glosse bewog. Italien ist
ja eben für Trolle nicht tropisch, und für N. nur in der Anwendung der Tropen-
Metaphorik auf den Raubtiermenschen Cesare Borgia. Gemässigte Zonen be-
günstigen demgegenüber angeblich die Vermittelmäßigung, ,„Moral als
Furchtsamkeit“4 (ganzes Lemma nach Sommer 2O15f).
198.
JGB 197 und JGB 198 werden durch die Schlusswendung „zum Kapitel ,Moral
der Furchtsamkeit4“ (117, 29 u. 119, 3) miteinander verbunden. In beiden Ab-
schnitten werden Moraltypen behandelt, in denen Furcht und damit das Inte-
resse an der eigenen Sicherheit die Verhaltens- und Handlungsmuster bestim-
men: Als deren Feindbild erscheinen Entgrenzungsmoralen, die der Sorge um
die eigene Sicherheit und das eigene Wohlbefinden keinen oder wenig Spiel-
raum gewähren wollen, sondern auf Selbstentäußerung, auf das Ausagieren
des Willens zur Macht (der Begriff fällt erst in 118, 7) setzen. Gibt in JGB 197 die
kleinbürgerliche Mittelmäßigkeitsmoral, die Cesare Borgia verunglimpft, das
Exempel für „Moral als Furchtsamkeit“ ab, so sind es in JGB 198 namhafte
philosophisch reflektierte Moralen, angefangen mit dem Sokratismus (den N.
 
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