Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0595
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar JGB 208, KSA 5, S. 137-138 575

Montaignes Essais; zum Motiv ausführlich Tansey 1995). Auch N.s Zeitgenos-
sen galt das „Que sgay-je?“ als Inbegriff von Montaignes Lebens- und Denkhal-
tung, so beispielsweise im Renaissance-Band von Moriz Carrieres vielfach auf-
gelegtem Werk Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung: „In der
Uebergangszeit aus dem feudalen in den modernen Staat [...] sah Michael von
Montaigne (1533-92) wie jeder der Streitenden recht zu haben meinte und von
dem andern des Unrechtes geziehen wurde; da warf er die Frage auf: ,was weiß
ich?‘ und gewöhnte sich alles zu prüfen und an seiner eigenen Subjectivität zu
bemessen. Die Sitten, die Handlungen, die Beweggründe der Menschen, die
Schicksale der Nationen betrachtet er von verschiedenen Seiten mit unabhän-
gigem Sinn; dem Widerspruch der Extreme, dem /55O/ Irrthum will er dadurch
entgehen daß er sich an nichts festbindet.“ (Carriere 1873, 549 f.) N. hat Mon-
taigne zeitweilig hochgeschätzt, vgl. neben Vivarelli 1998 auch Donnellan
1982, 18-37.
137, 32 Oder mit Sokrates: „ich weiss, dass ich Nichts weiss“] Vgl. KGW IX 4, W
I 6, 53, 46. Der Sokrates zugeschriebene Ausspruch verkürzt eine Aussage, die
Platon: Apologie des Sokrates 21d seinem Lehrer in den Mund gelegt hat:
„outoc; pcv oiErai ti EiÖEvai ovk elöujc; , syw öe, (jjonsp ouv ovk olöa, ovös oto-
gen“ („allein dieser meint doch zu wissen, während er nicht weiß; ich jedoch,
wie ich eben nicht weiß, meine es auch nicht“). Die Kurzversion findet sich als
Aussage in der 3. Person z. B. bei Cicero: Academica I 1, in der 1. Person bei
Nicolaus Cusanus: De visione Dei XIII146, und wurde sprichwörtlich.
138, 8f. auch die Sphinx ist eine Circe] Vgl. zur Sphinx NK 15, 11-14. Nach
Homer: Odyssee X verwandelte die Zauberin Kirke die Gefährten des Odys-
seus in Schweine und hielt ihn selbst ein Jahr lang gefangen. Bei N. symboli-
siert sie zugleich Verführungskraft und Verführbarkeit (vgl. NK KSA 6, 20,
34-21, 1).
138, 25-28 Unser Europa von heute, der Schauplatz eines unsinnig plötzlichen
Versuchs von radikaler Stände- und folglich Rassenmischung, ist deshalb
skeptisch in allen Höhen und Tiefen] Das Für und Wider der Vermengung
menschlicher „Rassen“ und „Stände“ wird in JGB an mehreren Stellen erörtert:
In JGB 224 wird „die demokratische Vermengung der Stände und Rassen“ für
die herrschende „Halbbarbarei“ (KSA 5,158, 3-5) verantwortlich gemacht;
in JGB 244 gelten die Deutschen als „ein Volk der ungeheuerlichsten Mischung
und Zusammenrührung von Rassen“ (KSA 5,184,18 f.), eine Idee, die NL 1885,
KSA 11, 34[104], 455 f. (KGW IX 1, N VII 1, 121 f.) historisch zu konkretisieren
sucht. Im Nachlass gibt es Aufzeichnungen, die Rassenmischung als ein Rezept
zu verstehen scheinen („Fülle der Natur zu erstreben durch Paarung von Ge-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften