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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0693
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Stellenkommentar JGB 240, KSA 5, S. 179 673

Künstlers an der Meisterschaft seiner Mittel, dessen er kein Hehl hat; im gan-
zen keine Schönheit, kein Süden, keine Helligkeit des Himmels und Herzens,
kein Tanz, selbst keine Logik, eine gewisse Plumpheit sogar, die unterstrichen
wird, wie als ob der Künstler uns sagen wollte: ,sie gehört zu meiner Absicht4;
eine schwerfällige Gewandung, ein Geflirr von gelehrten Kostbarkeiten.“
Dass das Achte Hauptstück mit einem Abschnitt über Wagners Meistersin-
ger beginnt (und in JGB 256, KSA 5, 203 f. mit einem über Parsifal endet), ist
kein Zufall, bemühen sich N.s Texte doch darum, die Faszination und zugleich
die Zerrissenheit des sich in Kunst ausprägenden »Deutschtums4 aufzuweisen.
Dieser Anfang ist keine schroffe Anti-Wagner- oder Anti-Deutschtumspolemik,
sondern der Versuch, die Vielschichtigkeit dieses zwischen Zukunft und Ver-
gangenheit hin und her pendelnden, zugleich gegenwartsvergessenen kultu-
rellen Deutschlandes im Brennglas eines einzigen Werkes, eben der auch the-
matisch sehr deutsch-romantischen Meistersinger zu verdichten - und sogar
nur mit Bezug auf ihre Ouvertüre. Wenn JGB 240 den Takt für das gesamte
Achte Hauptstück vorgeben soll, dann wäre keine krude Völkerpsychologie
und Nationalinvektivik zu erwarten, sondern ein farbiges Kaleidoskop unter-
schiedlichster „Völker und Vaterländer“, um Schattierungen und Differenzie-
rungen bemüht und sich spielerisch durchaus auch den „Rückfall in alte Lie-
ben und Engen“ (JGB 241, KSA 5,180,19 f.) gestattend. Wenn JGB 240 Wagners
Meistersinger-Ouvertüre auf ihre Eindringlichkeit, ihre Kraft hin befragt, sie
aber gleichzeitig für eine von viel Schwulst und Pathos überladene Komposi-
tion hält, in der „kaum ein Wille zur Logik“ (180, 1) waltet, dann wird damit
die Analyse eines typischen decadence-Kunstwerkes vorgelegt, ohne dass der
Begriff gebraucht werden müsste. Bemerkenswert ist, dass diese Art des Kunst-
werkes nicht nur unter der Präambel des Verfalls steht, sondern zugleich auch
Gestaltungspotential für die Zukunft zu bergen scheint.
179, 4 f. Ich hörte, wieder einmal zum ersten Male — Richard Wagner’s Ouvertü-
re zu den Meistersingern] Richard Wagners Oper Die Meistersinger von
Nürnberg entstand zwischen 1845 und 1867; sie wurde 1868 uraufgeführt, wäh-
rend das „Vorspiel“, also die Ouvertüre schon im November 1862 im Leipziger
Gewandhaus zum ersten Mal öffentlich gegeben wurde; sie hat denn auch
durchaus den Charakter eines eigenständigen Werkes. An Erwin Rohde schrieb
N. aus Leipzig am 27.10.1868: „Heute Abend war ich in der Euterpe, die ihre
Winterconzerte begann und mich sowohl mit der Einleitung zu Tristan und
Isolde, als auch mit der Ouvertüre zu den Meistersingern erquickte. Ich bringe
es nicht übers Herz, mich dieser Musik gegenüber kritisch kühl zu verhalten;
jede Faser, jeder Nerv zuckt an mir, und ich habe lange nicht ein solches an-
dauerndes Gefühl der Entrücktheit gehabt als bei letztgenannter Ouvertüre.“
(KSB 2/KGB 1/2, Nr. 596, S. 332, Z. 59-66, vgl. dazu Janz 1997, 77 f.) Am 22. und
 
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