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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0719
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Stellenkommentar JGB 246, KSA 5, S. 189 699

rung4 und erzeugt den Typus des Weisen, welcher das Ziel des Werdens des
menschlichen Charakters vorerkennt und die Lehre von den Mitteln und We-
gen bildet, durch die es erreicht werden kann. Auf welche Weise die Philoso-
phie sich zu einer solchen Lehre von der »Lebensführung nach Wirklichkeits-
Idealen4 zu erweitern hat, dieß hat uns Eugen Dühring in seinem »Ersatz
der Religion durch Vollkommeneres4 mit eben so besonnenem als
weitschauendem Geiste gezeigt, während uns Friedrich Nietzsche in sei-
nem tiefsinnigen Evangelium vom Übermenschen, Zarathustra, in dichte-
rischer Einkleidung ein lebendiges Stück solcher Lebensführung und eine klas-
sische Formulirung des höchsten Ideals alles menschlichen Strebens geboten
hat.44 (Widemann 1885, 239) N. bezog sich - Renzi erwähnt das nicht, obwohl
es seine These stützt - brieflich mindestens an drei Stellen auf dieses Ende von
Widemanns Buch, zuerst am 29. 07.1885 gegenüber Bernhard und Elisabeth
Förster: „Ich sehe mit Trauer, daß sich noch Nichts, noch Niemand für mich
ankündigt, der mir einen Th eil meiner Arbeit abnähme. Scheinbar steht
es hier, bei Widemann} gerade anders: denn sein Buch endet vollkommen mit
Zarathustra-Gedanken, und auf der letzten Seite erscheinen Dühring und
ich in ganz großer Gala und Gloria. Es ist Schade, daß Ihr nicht die Seiten
aufgeschnitten habt, wo von meinem »tiefsinnigen Evangelium4 und »meiner
klassischen Formulirung des höchsten Ideals menschlichen Strebens4 geredet
wird.“ (KSB 7/KGB III/3, Nr. 614, S. 71, Z. 29-38) Gegenüber Köselitz am
06.12.1885 verlautbarte N.: „Zuletzt ist mir noch niemals eine solche Verun-
glimpfung zu Theil geworden als durch seine Zusammenstellung der Namen
»Dühring4 und »Zarathustra4: — an diesem Zeichen habe ich genug.“ (KSB 7/
KGB III/3, Nr. 650, S. 120, Z. 42-45) Noch ein knappes Jahr später, Ende Okto-
ber 1886 kam N. im Brief an einen unbekannten Adressaten erneut auf diese
Passage zurück (KSB 7/KGB III/3, Nr. 771, S. 276, Z. 17-20). Der Schluss von
Widemanns Buch galt N.» der Dühring verabscheute und eigentlich bestenfalls
in ironisierenden Anführungszeichen als „Meister in der Kunst der Prosa“ an-
gesprochen hätte, schließlich als exemplarischer Fall einer Verwechslung und
Verkennung. Die Verwechslung macht JGB 246 aber nicht an inhaltlichen, son-
dern an stilistischen Kriterien fest. N. selbst hatte den „philosophischen Gri-
massen-Schneider und Sumpfmolch E(ugen} D(ühring}44 (NL 1885, KSA 11,
37[11], 586, 19 f., entspricht KGW IX 4, W I 6, 50) öfter wegen stilistischer Ver-
fehlungen ins Visier genommen, so schon in der langen Dühring-Aufzeichnung
NL 1875, KSA 8, 9[1], 131,10-18: „Schlechter Stil, Mangel an Haltung und Höhe,
verdorbne Manier der Kürze ([...]). In der Sprache ist etwas Unlogisches, doch
keineswegs das Unlogische der enthusiastischen Reflexion, vielmehr eine Ver-
einigung von Unsauberkeit (Schlumperei), Nüchternheit und Mangel an Übung
im Stil.“
 
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