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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0765
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Stellenkommentar JGB 260, KSA 5, S. 207-208 745

Menschen beruhen auf jenen wirklich schlechten Leidenschaften.“ (Dühring
1875a, 209, vgl. ebd., 242.) Hier wäre aus der Sicht von JGB 259 der völlig ver-
kehrte Lebensbegriff ebenso greifbar wie an anderer Stelle ein völlig verkehrter
Begriff der Gesellschaft: „Ein System, in welchem die Ausbeutung des Men-
schen durch den Menschen als nothwendiger Bestandtheil figurirt, ist in der
Wurzel ungerecht und muss daher auch weitere Ungerechtigkeiten in allen
Richtungen massenhaft hervorbringen.“ (Ebd., 255) In einer späteren Ausgabe
von Dührings Cursus taucht dann auch die von N. in Anführungszeichen ge-
setzte Wendung auf: „Siegen ausbeuterischer Charakter oder Roheit über den
bessern Theil, [...] so fixirt sich das Unrecht unter dem Namen des Rechts.“
(Dühring 1895, 2, 154) Zur Ausbeutung bei Dühring vgl. auch die knappen Be-
merkungen bei Venturelli 1986, 130 bzw. Venturelli 2003, 226 f. sowie zur nach
Dühring ausbeuterischen Aristokratie NK 206, 24-207, 3.
208,17 f. man sei doch so weit gegen sich ehrlich! -] Vgl. die treffende Beobach-
tung von Dellinger 2013a, 95: „Die für die Selbstaufhebung der Moral und des
»Willens zur Wahrheit4 leitende Kategorie der Ehrlichkeit wird hier unmittelbar
für die Gegenlehre des »Willens zur Macht4 in Dienst genommen. Dabei liegt
der meta-reflexive Charme des Motivs darin, dass sich gerade solche Indienst-
nahmen und Essentialisierungen des »Willens zur Macht4 als Vollzüge des ,geis-
tigste[n] Wille[ns] zur Macht4 verstehen lassen.“
260.
JGB 260 beruht auf der Aufzeichnung NL 1883, KSA 10, 7[22], 245-248, die ihr
historisches Material wesentlich aus Leopold Schmidts Die Ethik der alten Grie-
chen schöpfte (vgl. KGW VII 4/1, 163 f.). Hier benutzte N. auch erstmals den
in seiner späteren Rezeption so bedeutsam werdenden Begriff der „Sklaven-
Moral“, bereits in derselben Opposition zur „Herren-Moral“ (KSA 10, 245, 32-
246, 1) wie dann in KSA 5, 208, 25 f. Eine Vorstufe von JGB 260 findet sich in
KGW IX 5, W I 8, 219-213.
JGB 260 hat als scheinbar unmissverständliche Exposition eines Moraldua-
lismus zu zahlreichen Interpretationen Anlass gegeben, aus denen insbesonde-
re Tongeren 1989, 161-171 herausragt. Die traditionelle Lesart wird von Henri
Lichtenberger repräsentiert (Förster-Nietzsche/Lichtenberger 1928, 185-188).
208, 20 f. Bei einer Wanderung durch die vielen feineren und gröberen Moralen]
JGB 186 hatte im ersten Abschnitt des Fünften Hauptstücks demgegenüber eine
„Typenlehre der Moral“ (105, 20) in Aussicht gestellt, die allerdings in ihren
Konkretionen nicht ausgeführt wird, zumal eine gewisse Spannung zwischen
Historisierung („Naturgeschichte“) und Typologisierung unaufgelöst bleibt.
 
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