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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0769
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Stellenkommentar JGB 260, KSA 5, S. 209-210 749

gelegt worden sind: weshalb es ein arger Fehlgriff ist, wenn Moral-Historiker von
Fragen den Ausgang nehmen wie „warum ist die mitleidige Handlung gelobt wor-
den?“ Die vornehme Art Mensch fühlt sich als werthbestimmend, sie hat nicht
nöthig, sich gutheissen zu lassen, sie urtheilt „was mir schädlich ist, das ist an
sich schädlich“, sie weiss sich als Das, was überhaupt erst Ehre den Dingen ver-
leiht, sie ist wertheschaffend.] Vgl. NL 1883, KSA 10, 7[85], 271 f. Auch für
209,19-29 leistete Schmidts Die Ethik der alten Griechen Patendienste, vgl. z. B.
Schmidt 1882, 2, 294 f.: „Im Allgemeinen war der Grieche geneigt, in seiner
Vorstellung die Handlung und den Handelnden nicht aus einander zu halten:
ist doch schon früher (Bd. 1, S. 305. 337. 372) auf die beiden charakteristischen
Thatsachen aufmerksam ge-/295/ macht worden, dass seine Sprache die Be-
schaffenheit dieser mit Vorliebe von jenem als Subjekt aussagt, und dass in ihr
die zum Lobe oder Tadel der Individuen bestimmten Adjektive ohne Vergleich
viel mannigfaltiger und reicher nüancirt sind als die Bezeichnungsformen für
das, was mit dem Inhalt des Sollens übereinstimmt oder in Widerspruch steht.“
(Vgl. auch ebd., 1, 305: „Aber der Grieche liebte es besonders in den älteren
Zeiten, seinen Blick mehr bei den Personen als bei den Sachen verweilen zu
lassen. Wie er im grammatischen Satzbau eine charakteristische Neigung zeigt,
von dem Subjekte der Handlung auszusagen, was nur Beschaffenheit dieser
ist, so wendet sich seine sittliche Betrachtung mehr der Tugend des Individu-
ums zu als dem Inhalte der Pflicht, die von ihm erfüllt wird.“ N.s Unterstrei-
chung, Nachweise bei Brusotti 1992, 133 f. u. Orsucci 1996, 267 f., vgl. Schmidt
1882, 2, 309 f.)
Zur „mitleidigen Handlung“ und ihrer Rolle im moralgenealogischen
Handwerk vgl. NK 122, 2-8. N. hat bereits in NL 1870/71, KSA 7, 5[80], 112, 3f.
notiert: „Die mitleidige Handlung ist eine Korrektur der Welt im Handeln“; er
ist dann der Wendung wiederbegegnet zum Beispiel bei der Lektüre von Alfons
Bilharz’ Studie Der heliocentrische Standpunct der Weltbetrachtung (Bilharz
1879, 241).
210, 2 f. Der vornehme Mensch ehrt in sich den Mächtigen, auch Den, welcher
Macht über sich selbst hat] Vgl. NK 233,15 f. Selbstmacht ist ein klassisches Ziel
philosophischer Lebenspraxis seit den Griechen. N. assoziierte die aristokrati-
sche Selbstmacht freilich nicht mit asketischem Triebverzicht und selbstkastra-
tiver Willensbeschneidung.
210, 6-8 „Ein hartes Herz legte Wotan mir in die Brust“ heisst es in einer alten
skandinavischen Saga: so ist es aus der Seele eines stolzen Wikingers heraus mit
Recht gedichtet.] Eine hier einschlägige Quelle nannte N. in NL 1884, KSA 11,
25[217], 71, nämlich Anders Magnus Strinnholms Wikingszüge, Staatsverfassung
und Sitten der alten Skandinavier - ein Werk, das sich N. nach einem Hinweis
 
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