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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0800
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780 Jenseits von Gut und Böse

276.
Die für die zeitgenössische naturwissenschaftliche Debatte charakteristische
These von JGB 276 besagt: Mit der Höherorganisation von Lebewesen steigt
deren Empfindlichkeit, vgl. die Quellennachweise in NK 225, 31 f. und NK 236,
5-10.
228, 22-24 Bei einer Eidechse wächst ein Finger nach, der ihr verloren gieng:
nicht so beim Menschen.] Bei Eidechsen kann ein verlorener Schwanz (in redu-
zierter Form) wieder nachwachsen. In der damals maßgeblichen Monographie
Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren, besonders
Amphibien und Reptilien von Paul Fraisse wird freilich nicht nur ausgiebig von
der Schwanzregeneration bei den Eidechsen berichtet, sondern auch von Vivi-
sektionen, die Johann Friedrich Blumenbach an einem „Triton“ angestellt
habe: „Der dritte Theil des Schwanzes und ein Finger wurden ihm abgeschnit-
ten und wuchsen allerdings sehr langsam innerhalb eines Jahres zur ursprüng-
lichen Grösse heran.“ (Fraisse 1885, 24). Die als Tritonen bezeichneten Tiere
nennt Fraisse auch „lacertae lacustris“; gemeint sind Kammmolche oder Große
Wassersalamander. N. wiederum benutzt (wie Goethe in den Venezianischen
Epigrammen) „Lacerten“ gelegentlich als Synonym für Eidechsen (FW Lieder
des Prinzen Vogelfrei: Dichters Berufung, KSA 3, 649, 20), so dass die Vermu-
tung naheliegt, N. habe von Blumenbachs lacerta Zacustris-Experiment gelesen
und dabei den Molch mit einer Eidechse verwechselt. Zum Eidechsen-Motiv bei
N. vgl. NK KSA 6, 329, 24-330, 3.

277.
Aus M III 4 teilt KSA 14, 373 die folgende Vorstufe mit: „Wenn man ein Haus
gebaut hat, hat man gewöhnlich Etwas gelernt, das man hätte wissen sollen,
bevor man anfieng zu bauen.“ Der eher schlichte Gedanke wird in der Druck-
fassung durch extravagante Interpunktion dynamisiert: Der Gedankenstrich zu
Beginn suggeriert, es sei schon Wesentliches vorangegangen (so auch in JGB
278, KSA 5, 229, 4), was der Leser erst rekonstruieren müsse; das Ausrufezei-
chen gefolgt von den vier Punkten am Schluss signalisiert die Unabgeschlos-
senheit der Gedankenführung. Vgl zu JGB 277 auch Kaempfert 1971, 322.
228, 26-229,1 Wenn man sich sein Haus fertig gebaut hat, merkt man, unverse-
hens Etwas dabei gelernt zu haben, das man schlechterdings hätte wissen müs-
sen, bevor man zu bauen — anfieng.] Das ist die ausgewalzte Version des alten
Sprichworts: „Durch Bauen lernt man bauen“ (Wander 1867-1880, 1, 253).
 
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