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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0815
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Stellenkommentar JGB 288, KSA 5, S. 233 795

verweilen kann, ohne durch Dünkel und Selbstheit wieder ins Gemeine gezo-
gen zu werden/“ (Goethe 1853-1858, 18, 189 f.; vgl. hierzu Säße 2010, 50-66)
Die religiöse Metaphorik, die JGB 287 bestimmt, ist hier vorweggenommen,
ebenso der Abscheu vor dem Gemeinen und Gewöhnlichen.
Tongeren 1989, 228-232 identifiziert den Vornehmen mit dem Philosophen
und interpretiert die „Ehrfurcht vor sich“ als Ehrfucht vor der irreduziblen Viel-
falt im eigenen Innern. Freilich wird der Vornehme in JGB 287 - im Unterschied
zum Pöbel und zum Künstler oder Gelehrten, der sich durch Werke rechtferti-
gen muss - eher präsentiert als innere, stimmige Einheit unter einem unifor-
mierenden Herrschaftswillen, in Anschluss an JGB 260: „Der vornehme Mensch
ehrt in sich den Mächtigen, auch Den, welcher Macht über sich selbst hat“
(KSA 5, 210, 2f.).
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurden Verlautbarungen N.s wie in
JGB 287 zum moralischen Wiederaufbau instrumentalisiert, sein Übermensch
mit Karl Mays „Edelmensch“ kurzgeschlossen (zu letzterem Sommer 2010c).
Ein typisches Beispiel findet sich bei Friedrich Köhler: „Damit ist das Wesen
des Herrenmenschen, des Wesens, das sich selbst zu bezwingen versteht und
nur kraft dieser moralischen Fähigkeit zu herrschen berufen ist, am klarsten
gekennzeichnet. [...] In diesem Sinne richtet Nietzsche im Interesse des Lebens
die Rangstufenordnung nach der Gesinnung auf und erteilt den ersten Platz
dem willensstarken Edelmenschen zu“ (Köhler 1921, 57).

288.
Die durchgestrichene Vorfassung in KGW IX 5, W I 8, 225,1-14 lautet: „Es giebt
Menschen, welche rauf eine unvermeidliche Weise'' Geist haben, sie mögen
sich drehen und wenden rwie sie wollen'' und die Hände vor die rverrätheri-
schen'' Augen halten: schließlich kommt es immer heraus, daß sie etwas ha-
ben, das sie verbergen, nämlich Geist. Eins der feinsten Mittel, um wenigstens
so lange als möglich zu täuschen und sich rmit Erfolg'' dümmer zu stellen als
man ist - was im gemeinen Leben oft so wünschenswerth ist wie ein Regen-
schirm - heißt Begeisterung: hinzugerechnet, was hinzugehört, zum Beispiel
Tugend. Denn, wie Galiani sagt, vertu est enthousiasme.“
233, 25 f. was im gemeinen Leben oft so wünschenswerth ist wie ein Regen-
schirm] Regenschirme als materialisierte Schutzmächte gegen meteorologische
und andere Unbillen kommen bei N. mit Ausnahme dreier Briefe von 1864,
1871 und 1873 nur hier, in NL 1884, KSA 11, 26[306], 232, 10f. (Eduard von
Hartmanns Ringen mit Problemen erheitert noch mehr als „die Laokoon-grup-
pe, von drei Clown’s und ebenso vielen Regenschirmen dargestellt“) sowie in
 
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