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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0816
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796 Jenseits von Gut und Böse

der dank Jacques Derrida berühmt gewordenen Aufzeichnung NL 1881, KSA 9,
12[62], 587, 11 vor: ,„ich habe meinen Regenschirm vergessen“4. Dieser Satz,
den die Anführungszeichen als Zitat ausweisen, lässt freilich nicht alle herme-
neutischen Bemühungen scheitern, weil der Kontext unerschließbar wäre (vgl.
Derrida 1978, 103, dazu z. B. Schrift 1990, 107-109; Benne 2005, 94, Fn. 147 u.
Sanchino Martinez 2013, 37). Vielmehr ist die tiefsinnige Sentenz sehr wohl
als Zitat zu identifizieren, nämlich aus der von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
besorgten, freihändigen deutschen Übersetzung von Grandvilles Un autre
monde (1843/44), die deutsch unter dem Titel Eine Andere Welt von Plinius dem
Jüngsten 1847 erschienen ist. Dort heißt es: „Plötzlich hörte man im Weltraum
den Wehruf: ,Ich habe meinen Regenschirm vergessen! meinen Regen-
schirm!4 / Die Echo’s im Unendlichen hallten wieder »Regenschirm! Regen-
schirm!4 / Wer stieß diesen Weh-Klage-Jammer-Ruf aus? Schwadronarius war
es. / Und wahrlich er hatte Recht, der Unglückselige, denn er war bis auf die
Haut durchnäßt, und seine Haare trieften wie lecke Dachrinnen.44 (Grandville
1847, 129) Der Regenschirm stand N. also als hochstehendes Kulturgut vor Au-
gen (nicht nur, weil Sainte-Beuve sich bekanntlich 1830 geweigert hatte, ohne
einen solchen zum Duell gegen Paul-Frangois Dubois anzutreten).
233, TJ f. Denn, wie Galiani sagt, der es wissen musste vertu est enthousias-
me.] Das Zitat stammt aus Galianis Brief an Madame d’Epinay vom 26. 04.1777
und lautet im Kontext: „La morale s’est conservee parmi les hommes, parce
qu’on en avait peu parle, et jamais didactiquement; toujours eloquemment ou
poetiquement. D’abord que les jesuites s’aviserent de la reduire en Systeme, ils
la defigurerent /276/ horriblement. En effet la vertu est un enthousiasme.44 (Ga-
liani 1882, 2, 275 f. „Die Moral hat sich unter den Menschen erhalten, weil man
davon wenig gesprochen hatte, und niemals didaktisch, immer eloquent oder
poetisch. Seit die Jesuiten es sich einfallen ließen, sie zum System zu reduzie-
ren, haben sie sie fürchterlich entstellt. Tatsächlich ist die Tugend ein Enthusi-
asmus.44) Auch bei Schelling kommt der Gedanke vor, dass Tugend Enthusia-
mus sei, vgl. Gerhardt 2011, 222.

289.
Während JGB 289 im Modus des „Man44 bleibt und offenlässt, wer derjenige ist,
der in seinem Reden mehr verschweigt als sagt und dessen Philosophie mehr
verbirgt als erhellt, sind die Vorarbeiten in den Notizbüchern (NK 234, 5-9),
aber auch die Variante im Druckmanuskript (NK 234, 24-26) stärker auto(r)fik-
tional fokussiert, indem entweder ausdrücklich „ich44 gesagt oder die Resonanz
der eigenen Schriften thematisiert wird. JGB 289 läuft aus in eine Philosophie
 
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