806 Jenseits von Gut und Böse
Brand“ deutlich markiert. Diesen selbstrelativierenden Gestus erlaubte er sich
in der Druckfassung von JGB 295 nicht mehr.
238, 7-9 Inzwischen lernte ich Vieles, Allzuvieles über die Philosophie dieses
Gottes hinzu, und, wie gesagt, von Mund zu Mund] Auf der äußerst schwer ent-
zifferbaren Manuskriptseite KGW IX 4, W I 5, 13 scheint daran anschließend
ursprünglich das Folgende gestanden zu haben (so auch KSA 14, 374, aller-
dings mit Lesefehlern): und vielleicht kommt uns noch die Stunde rein Tag
von so viel Stille u halkyonischem Glück'', daß ich [einmal] euch erzählen
darf, was ich davon [von alle dem Gehörten überfließenj muß - daß ich Euch
rm. Freunden'' die Philos. des D. erzähle“ (KGW IX 4, W I 5, 13, 42-44, vgl.
KGW IX 4, W I 5, 15, 12-18).
238,16 auch Götter philosophiren] Die These, wonach (manche) Götter philo-
sophierten, ist die direkte Kontrafaktur einer berühmten Stelle in Platons Sym-
posion (203e-204a), die in der von N. benutzten Übersetzung von Franz Suse-
mihl lautet: „Keiner der Götter philosophirt oder begehrt weise zu werden,
denn sie sind es bereits, noch auch wenn sonst Jemand weise ist, philosophirt
dieser“ (Platon 1855, 347, vgl. auch Strauss 1983, 175). Dionysos ist in N.s Vor-
stellungswelt also keineswegs ein Gott nach traditionellem metaphysischem
Muster, der in Vollkommenheit jede Such- und Strebensbewegung aufgegeben
hätte. Vielmehr erscheint er als liebender (vgl. NK 239, 2-6), suchender,
(über)menschenartiger Gott, dem selbst die Scham fehlt (vgl. NK 239, 1 f.). N.
griff die Vorstellung von den philosophierenden Göttern etwa in AC 39 wieder
auf, vgl. NK KSA 6, 212, 30 f.
239,1 f. Man erräth: es fehlt dieser Art von Gottheit und Philosophen vielleicht
an Scham?] In KGW IX 4, W I 5, 12, 46 stand noch assertorischer: „Man sieht,
es fehlt dieser Art von Gottheit und Philosophen etwas an Scham.“ Über die
Scham des christlichen Gottes handelte N. andernorts ausführlich, vgl. NK 57,
27-29.
239, 2-6 So sagte er einmal: „unter Umständen liebe ich den Menschen — und
dabei spielte er auf Ariadne an, die zugegen war der Mensch ist mir ein ange-
nehmes tapferes erfinderisches Thier, das auf Erden nicht seines Gleichen hat,
es findet sich in allen Labyrinthen noch zurecht.] In der griechischen Mythologie
konnte sich Theseus dank des Fadens, den Ariadne ihm gegeben hatte, im
Layrinth des Minotauros (vgl. NK 48, 1-6) zurecht- und aus ihm herausfinden,
was ihn aber nicht daran hinderte, Ariadne auf Naxos zu verlassen. Da sprang
Dionysos als neuer Liebhaber ein (vgl. z. B. Ovid: Metamorphosen VIII175-182
u. Ars amatoria I 525-562). N. ist von diesem Motiv nachhaltig fasziniert, vgl.
ausführlich NK KSA 6,123, 30-124, 3 u. DD Klage der Ariadne, KSA 6, 398-401.
Brand“ deutlich markiert. Diesen selbstrelativierenden Gestus erlaubte er sich
in der Druckfassung von JGB 295 nicht mehr.
238, 7-9 Inzwischen lernte ich Vieles, Allzuvieles über die Philosophie dieses
Gottes hinzu, und, wie gesagt, von Mund zu Mund] Auf der äußerst schwer ent-
zifferbaren Manuskriptseite KGW IX 4, W I 5, 13 scheint daran anschließend
ursprünglich das Folgende gestanden zu haben (so auch KSA 14, 374, aller-
dings mit Lesefehlern): und vielleicht kommt uns noch die Stunde rein Tag
von so viel Stille u halkyonischem Glück'', daß ich [einmal] euch erzählen
darf, was ich davon [von alle dem Gehörten überfließenj muß - daß ich Euch
rm. Freunden'' die Philos. des D. erzähle“ (KGW IX 4, W I 5, 13, 42-44, vgl.
KGW IX 4, W I 5, 15, 12-18).
238,16 auch Götter philosophiren] Die These, wonach (manche) Götter philo-
sophierten, ist die direkte Kontrafaktur einer berühmten Stelle in Platons Sym-
posion (203e-204a), die in der von N. benutzten Übersetzung von Franz Suse-
mihl lautet: „Keiner der Götter philosophirt oder begehrt weise zu werden,
denn sie sind es bereits, noch auch wenn sonst Jemand weise ist, philosophirt
dieser“ (Platon 1855, 347, vgl. auch Strauss 1983, 175). Dionysos ist in N.s Vor-
stellungswelt also keineswegs ein Gott nach traditionellem metaphysischem
Muster, der in Vollkommenheit jede Such- und Strebensbewegung aufgegeben
hätte. Vielmehr erscheint er als liebender (vgl. NK 239, 2-6), suchender,
(über)menschenartiger Gott, dem selbst die Scham fehlt (vgl. NK 239, 1 f.). N.
griff die Vorstellung von den philosophierenden Göttern etwa in AC 39 wieder
auf, vgl. NK KSA 6, 212, 30 f.
239,1 f. Man erräth: es fehlt dieser Art von Gottheit und Philosophen vielleicht
an Scham?] In KGW IX 4, W I 5, 12, 46 stand noch assertorischer: „Man sieht,
es fehlt dieser Art von Gottheit und Philosophen etwas an Scham.“ Über die
Scham des christlichen Gottes handelte N. andernorts ausführlich, vgl. NK 57,
27-29.
239, 2-6 So sagte er einmal: „unter Umständen liebe ich den Menschen — und
dabei spielte er auf Ariadne an, die zugegen war der Mensch ist mir ein ange-
nehmes tapferes erfinderisches Thier, das auf Erden nicht seines Gleichen hat,
es findet sich in allen Labyrinthen noch zurecht.] In der griechischen Mythologie
konnte sich Theseus dank des Fadens, den Ariadne ihm gegeben hatte, im
Layrinth des Minotauros (vgl. NK 48, 1-6) zurecht- und aus ihm herausfinden,
was ihn aber nicht daran hinderte, Ariadne auf Naxos zu verlassen. Da sprang
Dionysos als neuer Liebhaber ein (vgl. z. B. Ovid: Metamorphosen VIII175-182
u. Ars amatoria I 525-562). N. ist von diesem Motiv nachhaltig fasziniert, vgl.
ausführlich NK KSA 6,123, 30-124, 3 u. DD Klage der Ariadne, KSA 6, 398-401.