810 Jenseits von Gut und Böse
te den Ausdruck dort bereits auf europäische Verhältnisse an. Das hatte auch
Galiani in seinem Brief an Madame d’Epinay vom 27. 04.1771 getan: „Heureux
alors les robins qui seront nos mandarins! ils seront tout; car les soldats ne
seront que pour la parade.“ (Galiani 1882, 1, 236, von N. mit Randstrich mar-
kiert. „Glücklich also die Robenträger, die unsere Mandarine sein werden! Sie
werden alles sein, denn die Soldaten werden nur für die Parade sein.“ Bei N.
geläufigen französischen Autoren war diese Projektion chinesischer Mandarine
auf europäische Verhältnisse mit kritischem Unterton überhaupt gängig, so bei
Goncourt/Goncourt 1877a, 177 [„mandarins ä brandebourgs!“ Randanstrei-
chung N.s. Vgl. NK 199, 33-200, 8]; Flaubert 1884, 118,129,139 u. 152; Lemaitre
1886a, 245, 317, 334 u. 355; Lemaitre 1886b, 114 u. 144; Scherer 1885, 184; vgl.
auch das „preussische Mandarinenthum“ bei Bleibtreu 1886a, 73 u. 1886b, 73,
zitiert in NK KSA 6,104, 4-8.) N. pflegte China und die Chinesen mit Vermittel-
mäßigung, Ruhebedürfnis und Dekadenz, aber auch mit kultureller Überfeine-
rung zu assoziieren, vgl. z. B. NK 220, 30-221, 6; NK KSA 6, 369, 9f. u. FW 377
sowie Benne 2002, 233-244 u. Benne 2013, 309 f.
239, 27 f. wir Verewiger der Dinge] Die Verewigungsbemühung der Philoso-
phen, die ihre Begriffe auf unbeschränkte Dauer stellen wollen und die Histori-
zität des Denkens sowie des Gedachten leugnen, karikiert GD Die „Vernunft“
in der Philosophie 1 als Mumifizierungspraxis, vgl. NK KSA 6, 74, 4f. u. NK
KSA 6, 74, 7-9. Verewiger der Dinge ist auch, wer vom Medium der Schrift
Gebrauch macht, das flüchtige Eindrücke, Gedanken und gesprochene Worte
dauerhaft festhält.
239, 31-240,1 Ach, immer nur Vögel, die sich müde flogen und verflogen und
sich nun mit der Hand haschen lassen, - mit unserer Hand!] Dieser Bezug
lässt sich als Kontrafaktur zur Vorrede von Hegels Grundlinien der Philosophie
des Rechts verstehen, wo gleichfalls ein Vogel, nämlich die Eule der Minerva
in der Dämmerung aufflattert, deren Farbenspiel freilich nur noch Grautöne
bereithält: „Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt
des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen,
sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechen-
den Dämmerung ihren Flug“ (Hegel 1986, 7, 28, vgl. zur Interpretation ausführ-
lich Benne 2013, 316-320). N. bemühte „Minerva’s Liebling U-hu-hu“ ironisch
zurückblickend auf MA auch in FW Vorspiel 53, KSA 3, 365, 9-13.
240, 7 f. ihr plötzlichen Funken und Wunder meiner Einsamkeit] Ursprünglich
heißt es stattdessen in der Vorarbeit: „als ich euch zum ersten Male erdachte
und erlebte, ihr Funken u Blitze des Lebens!“ (KGW IX 5, W I 8, 209, 26-28).
240, 8f. ihr meine alten geliebten — schlimmen Gedanken!] Ursprünglich
hieß es stattdessen in der Vorarbeit: „Ihr meine erfundenen u. erlebten Gedan-
te den Ausdruck dort bereits auf europäische Verhältnisse an. Das hatte auch
Galiani in seinem Brief an Madame d’Epinay vom 27. 04.1771 getan: „Heureux
alors les robins qui seront nos mandarins! ils seront tout; car les soldats ne
seront que pour la parade.“ (Galiani 1882, 1, 236, von N. mit Randstrich mar-
kiert. „Glücklich also die Robenträger, die unsere Mandarine sein werden! Sie
werden alles sein, denn die Soldaten werden nur für die Parade sein.“ Bei N.
geläufigen französischen Autoren war diese Projektion chinesischer Mandarine
auf europäische Verhältnisse mit kritischem Unterton überhaupt gängig, so bei
Goncourt/Goncourt 1877a, 177 [„mandarins ä brandebourgs!“ Randanstrei-
chung N.s. Vgl. NK 199, 33-200, 8]; Flaubert 1884, 118,129,139 u. 152; Lemaitre
1886a, 245, 317, 334 u. 355; Lemaitre 1886b, 114 u. 144; Scherer 1885, 184; vgl.
auch das „preussische Mandarinenthum“ bei Bleibtreu 1886a, 73 u. 1886b, 73,
zitiert in NK KSA 6,104, 4-8.) N. pflegte China und die Chinesen mit Vermittel-
mäßigung, Ruhebedürfnis und Dekadenz, aber auch mit kultureller Überfeine-
rung zu assoziieren, vgl. z. B. NK 220, 30-221, 6; NK KSA 6, 369, 9f. u. FW 377
sowie Benne 2002, 233-244 u. Benne 2013, 309 f.
239, 27 f. wir Verewiger der Dinge] Die Verewigungsbemühung der Philoso-
phen, die ihre Begriffe auf unbeschränkte Dauer stellen wollen und die Histori-
zität des Denkens sowie des Gedachten leugnen, karikiert GD Die „Vernunft“
in der Philosophie 1 als Mumifizierungspraxis, vgl. NK KSA 6, 74, 4f. u. NK
KSA 6, 74, 7-9. Verewiger der Dinge ist auch, wer vom Medium der Schrift
Gebrauch macht, das flüchtige Eindrücke, Gedanken und gesprochene Worte
dauerhaft festhält.
239, 31-240,1 Ach, immer nur Vögel, die sich müde flogen und verflogen und
sich nun mit der Hand haschen lassen, - mit unserer Hand!] Dieser Bezug
lässt sich als Kontrafaktur zur Vorrede von Hegels Grundlinien der Philosophie
des Rechts verstehen, wo gleichfalls ein Vogel, nämlich die Eule der Minerva
in der Dämmerung aufflattert, deren Farbenspiel freilich nur noch Grautöne
bereithält: „Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt
des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen,
sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechen-
den Dämmerung ihren Flug“ (Hegel 1986, 7, 28, vgl. zur Interpretation ausführ-
lich Benne 2013, 316-320). N. bemühte „Minerva’s Liebling U-hu-hu“ ironisch
zurückblickend auf MA auch in FW Vorspiel 53, KSA 3, 365, 9-13.
240, 7 f. ihr plötzlichen Funken und Wunder meiner Einsamkeit] Ursprünglich
heißt es stattdessen in der Vorarbeit: „als ich euch zum ersten Male erdachte
und erlebte, ihr Funken u Blitze des Lebens!“ (KGW IX 5, W I 8, 209, 26-28).
240, 8f. ihr meine alten geliebten — schlimmen Gedanken!] Ursprünglich
hieß es stattdessen in der Vorarbeit: „Ihr meine erfundenen u. erlebten Gedan-