Nr.8
Gutachten der Straßburger Prediger
zur Gültigkeit der Ehe Heinrichs VIII.
30. Dezembcr 1531
Einleitung
1. Entstehung
Die folgende Schrift stellt das abschließende Gutachten zu einer Frage dar, die Bucer
und seme Straßburger Kollegen in der zweiten Hälfte des Jahres 1531 stark beschäf-
tigt hat: Darf der englische König Heinrich VIII. unter Berufung auf das alttesta-
menthche Verbot des ehelichen Umgangs mit der Frau des eigenen Bruders (Lev
18,16 und Lev 20,21) seine Ehe mit Katharina von Aragön - sie war die Frau semes
verstorbenen Bruders Arthur gewesen - als ungültig betrachten? Als Bucer am
18. Juh 1531 von semem Ulmer Aufenthalt zurückgekehrt war, erfuhr er, daß der
Basler Humamst und Theologieprofessor Simon Grynaeus1 kurz zuvor im Auftrag
des englischen Kömgs m Straßburg gewesen war, um die dortigen Prediger und vor
allem Bucer um eine Stellungnahme zu dieser Frage zu bitten. Da Bucer noch in
Ulm war, mußte Grynaeus sich darauf beschränken, das Problem vor Bucers Kolle-
gen Wolfgang Capito und dem prominenten Ratsmitglied Jakob Sturm auszubrei-
ten und einige seme Fragen betreffende Unterlagen2 zurückzulassen.
Das Eheproblem Hemrichs VIII. hatte eine längere Vorgeschichte.3 Es waren haupt-
sächhch außenpohtische Überlegungen - Katharina war die Tochter des spamschen
Kömgspaares Ferdinand von Aragön und Isabella von Kastihen —, die die Eheschhe-
ßung Hemrichs mit der fünf Jahre älteren Witwe semes 1502 verstorbenen Bruders
motiviert hatten. Für das Zustandekommen dieser Heirat tm Jahre 1509 war eine
Dispens von Papst Julius II. erforderhch gewesen.
Von den Kindern, die aus dieser Ehe hervorgegangen waren, überlebte allerdings
1. Zu lhra vgl. unten S. 111, Anm. 2.
2. Darunter eme Sammlung von Gutachten europäischer Umversitäten, die sich positiv zum Be-
gehren des Kömgs geäußert hatten, seine Ehe mit Katharma von Aragön für ungültig erklären zu
lassen. Vgl. unten Anm. 11. Später bat Grynaeus Bucer um Rückgabe des Buches, das er nun an Lu-
ther und Melanchthon weiterschickte; vgl. Pollet II, S.440.
3. Sehr ausführhch hierzu, jedoch mit nur oberflächlicher Berücksichtigung der späteren Stel-
lungnahmen Bucers: Bedouellc/Le Gal, Le »divorce« du roi Henry VIII, bes. S. 289—297; Scaris-
brick, Henry VIII, S. 147-240.
Gutachten der Straßburger Prediger
zur Gültigkeit der Ehe Heinrichs VIII.
30. Dezembcr 1531
Einleitung
1. Entstehung
Die folgende Schrift stellt das abschließende Gutachten zu einer Frage dar, die Bucer
und seme Straßburger Kollegen in der zweiten Hälfte des Jahres 1531 stark beschäf-
tigt hat: Darf der englische König Heinrich VIII. unter Berufung auf das alttesta-
menthche Verbot des ehelichen Umgangs mit der Frau des eigenen Bruders (Lev
18,16 und Lev 20,21) seine Ehe mit Katharina von Aragön - sie war die Frau semes
verstorbenen Bruders Arthur gewesen - als ungültig betrachten? Als Bucer am
18. Juh 1531 von semem Ulmer Aufenthalt zurückgekehrt war, erfuhr er, daß der
Basler Humamst und Theologieprofessor Simon Grynaeus1 kurz zuvor im Auftrag
des englischen Kömgs m Straßburg gewesen war, um die dortigen Prediger und vor
allem Bucer um eine Stellungnahme zu dieser Frage zu bitten. Da Bucer noch in
Ulm war, mußte Grynaeus sich darauf beschränken, das Problem vor Bucers Kolle-
gen Wolfgang Capito und dem prominenten Ratsmitglied Jakob Sturm auszubrei-
ten und einige seme Fragen betreffende Unterlagen2 zurückzulassen.
Das Eheproblem Hemrichs VIII. hatte eine längere Vorgeschichte.3 Es waren haupt-
sächhch außenpohtische Überlegungen - Katharina war die Tochter des spamschen
Kömgspaares Ferdinand von Aragön und Isabella von Kastihen —, die die Eheschhe-
ßung Hemrichs mit der fünf Jahre älteren Witwe semes 1502 verstorbenen Bruders
motiviert hatten. Für das Zustandekommen dieser Heirat tm Jahre 1509 war eine
Dispens von Papst Julius II. erforderhch gewesen.
Von den Kindern, die aus dieser Ehe hervorgegangen waren, überlebte allerdings
1. Zu lhra vgl. unten S. 111, Anm. 2.
2. Darunter eme Sammlung von Gutachten europäischer Umversitäten, die sich positiv zum Be-
gehren des Kömgs geäußert hatten, seine Ehe mit Katharma von Aragön für ungültig erklären zu
lassen. Vgl. unten Anm. 11. Später bat Grynaeus Bucer um Rückgabe des Buches, das er nun an Lu-
ther und Melanchthon weiterschickte; vgl. Pollet II, S.440.
3. Sehr ausführhch hierzu, jedoch mit nur oberflächlicher Berücksichtigung der späteren Stel-
lungnahmen Bucers: Bedouellc/Le Gal, Le »divorce« du roi Henry VIII, bes. S. 289—297; Scaris-
brick, Henry VIII, S. 147-240.