Nr. 6
Erstes Gutachten zur Reform des Eherechts in Ulm
Dcr heilige Ehestand ist die Pflanzung1
21. Mai - 22. Juni 1531
Einleitung
1. Entstehung
Obwohl archivalisch an zweiter Stelle aufbewahrt2, ist dieses Gutachten zur Reform
des Eherechts in Ulm von Bucer ohne Zweifel vor der knappen Schrift »Daß in Ehe-
sachen recht gehandelt»3 verfaßt worden. In diesem ersten, 26 Folioseiten umfas-
senden Gutachten stellt Bucer die Ehe als Grundlage des Gemeinwesens dar und
fordert die reformatorische Neuordnung des Ulmer Eherechts in enger Anlehnung
an das römische Recht.4 Die im Archiv an erster Stelle überlieferte, aber chronolo-
gisch darauffolgende, nur sieben Folioseiten lange Schrift bietet dagegen konkrete
Anleitungen für die Behandlung von spezifischen eherechthchen Fällen.5
Bucer befand sich auf Bitte des Ulmer Rates seit dem 21. Mai 1531 in der schwäbi-
schen Reichsstadt, um gemeinsam mit Johannes Oekolampad aus Basel und Am-
brosius Blarer aus Konstanz — ebenfalls vom Ulmer Rat herbeigeholt — eine evange-
lische Kirchenordnung für die Stadt und lhr Territonum zu erstellen sowie erste
praktische Maßnahmen zur Einführung der Reformation durchzusetzen.6 Schon
1. Dieses Gutachten ist aufgrund der Überschrift, die die im Straßburger Stadtarchiv überlieferte
Kopie (Vgl. unten Handschrift b, S. 76) trägt, in der Bucer-Forschung auch unter dem Namen »Von
der Ehe« bekannt; vgl. Selderhuis, Huwelijk, S.419 (= Marriage, S.374). Um Verwechselungen mit
der großen Schrift »Von der Ehe und Ehescheidung« (von Wendel, Le mariage ä Strasbourg, S. 12,
46 und 5 5 ebenfalls als »Von der Ehe« zitiert) zu vermeiden, haben wir für die Bildung einer zitierfä-
higen Überschrift das Incipit vorgezogen.
2. Dies gilt sowohl für die der Edition zugrunde liegende, im Ulmer Stadtarchiv aufbewahrte
Handschnft a als auch für die 1m Straßburger Stadtarchiv vorhandene Handschrift b.
3. Vgl. unten Nr. 7, S. 98-102. Die in der archivalischen Überlieferung an erster Stelle auftretende
Schrift »Daß in Ehesachen recht gehandelt« verweist zweimal auf die ausführlicheren Erklärungen
der »vongen schnfft«, mit der nur das darauffolgende Gutachten »Der heilige Ehestand lst die
Pflanzung« gemeint sein kann.
4. Besprochen wird dieses Gutachten auch bei Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.48-51; Selder-
huis, Huwelijk, S. nof. (= Marnage, S.91); Endriß, Das Ulmer Reformationsjahr 1531, S.70.
5. Vgl. unten Nr. 7: »Daß m Ehesachen recht gehandelt«, S. 98 —102.
6. Obwohl die Reformation schon früh Anhänger m Ulm gefunden und m dem Prediger Konrad
Sam seit 1524 einen energischen Vertreter hatte, zögerte die Stadt wegen lhrer expomerten geogra-
phischen Lage — sie grenzte an das habsburgische Württemberg und befand sich m unmittelbarer
Nähe des ebenfalls altgläubigen Herzogtums Bayern — und der vorsichtigen Politik des Bürgermei-
sters Bernhard Besserer lange mit einer konfessionellen Festlegung. Nachdem aber die Ulmer Bür-
gerschaft den Augsburger Abschied am 3. November 1530 mit großer Mehrheit abgelehnt hatte,
Erstes Gutachten zur Reform des Eherechts in Ulm
Dcr heilige Ehestand ist die Pflanzung1
21. Mai - 22. Juni 1531
Einleitung
1. Entstehung
Obwohl archivalisch an zweiter Stelle aufbewahrt2, ist dieses Gutachten zur Reform
des Eherechts in Ulm von Bucer ohne Zweifel vor der knappen Schrift »Daß in Ehe-
sachen recht gehandelt»3 verfaßt worden. In diesem ersten, 26 Folioseiten umfas-
senden Gutachten stellt Bucer die Ehe als Grundlage des Gemeinwesens dar und
fordert die reformatorische Neuordnung des Ulmer Eherechts in enger Anlehnung
an das römische Recht.4 Die im Archiv an erster Stelle überlieferte, aber chronolo-
gisch darauffolgende, nur sieben Folioseiten lange Schrift bietet dagegen konkrete
Anleitungen für die Behandlung von spezifischen eherechthchen Fällen.5
Bucer befand sich auf Bitte des Ulmer Rates seit dem 21. Mai 1531 in der schwäbi-
schen Reichsstadt, um gemeinsam mit Johannes Oekolampad aus Basel und Am-
brosius Blarer aus Konstanz — ebenfalls vom Ulmer Rat herbeigeholt — eine evange-
lische Kirchenordnung für die Stadt und lhr Territonum zu erstellen sowie erste
praktische Maßnahmen zur Einführung der Reformation durchzusetzen.6 Schon
1. Dieses Gutachten ist aufgrund der Überschrift, die die im Straßburger Stadtarchiv überlieferte
Kopie (Vgl. unten Handschrift b, S. 76) trägt, in der Bucer-Forschung auch unter dem Namen »Von
der Ehe« bekannt; vgl. Selderhuis, Huwelijk, S.419 (= Marriage, S.374). Um Verwechselungen mit
der großen Schrift »Von der Ehe und Ehescheidung« (von Wendel, Le mariage ä Strasbourg, S. 12,
46 und 5 5 ebenfalls als »Von der Ehe« zitiert) zu vermeiden, haben wir für die Bildung einer zitierfä-
higen Überschrift das Incipit vorgezogen.
2. Dies gilt sowohl für die der Edition zugrunde liegende, im Ulmer Stadtarchiv aufbewahrte
Handschnft a als auch für die 1m Straßburger Stadtarchiv vorhandene Handschrift b.
3. Vgl. unten Nr. 7, S. 98-102. Die in der archivalischen Überlieferung an erster Stelle auftretende
Schrift »Daß in Ehesachen recht gehandelt« verweist zweimal auf die ausführlicheren Erklärungen
der »vongen schnfft«, mit der nur das darauffolgende Gutachten »Der heilige Ehestand lst die
Pflanzung« gemeint sein kann.
4. Besprochen wird dieses Gutachten auch bei Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.48-51; Selder-
huis, Huwelijk, S. nof. (= Marnage, S.91); Endriß, Das Ulmer Reformationsjahr 1531, S.70.
5. Vgl. unten Nr. 7: »Daß m Ehesachen recht gehandelt«, S. 98 —102.
6. Obwohl die Reformation schon früh Anhänger m Ulm gefunden und m dem Prediger Konrad
Sam seit 1524 einen energischen Vertreter hatte, zögerte die Stadt wegen lhrer expomerten geogra-
phischen Lage — sie grenzte an das habsburgische Württemberg und befand sich m unmittelbarer
Nähe des ebenfalls altgläubigen Herzogtums Bayern — und der vorsichtigen Politik des Bürgermei-
sters Bernhard Besserer lange mit einer konfessionellen Festlegung. Nachdem aber die Ulmer Bür-
gerschaft den Augsburger Abschied am 3. November 1530 mit großer Mehrheit abgelehnt hatte,