Nr. 11
Gutachten Capitos und Bucers für den Berner Rat
zu zwei Ehescheidungsfragen
[nach 2p. November 1532]
Einleitung
1. Entstehung
Die Reformation in der Stadt und der Landschaft Bern wurde durch ein Mandat des
Rates am 7. Februar 1528 eingeführt. Unmittelbarer Anlaß dieser lange hinausgezö-
gerten Entscheidung war der durchschlagende Erfolg der evangelischen Seite bei der
geschichtswirksamen Berner Disputation1, die unter Beteihgung von über zwei-
hundert Theologen vom 6. bis zum 26. Januar 1528 stattfand. Capito und Bucer wa-
ren zu diesem Anlaß eigens aus Straßburg angereist und nahmen neben dem eigent-
lichen Wortführer Huldrych Zwingli aktiv an dem Wortgefecht mit altgläubigen
Theologen2 teil.3
Zu den durch das anschheßende Reformationsmandat vom 7. Februar 1528 be-
schlossenen Maßnahmen gehörte die ausdrückliche Ubernahme der bisher von der
Geistlichkeit beanspruchten richterlichen Funktionen durch die weltliche Obrig-
keit.4 Was die Ehegerichtsbarkeit angeht, bedeutete dies aber nur die nachträgliche
Bestätigung eines Vorgangs, der schon fast zwei Jahre vorher stattgefunden hatte
und dessen Wurzeln sogar im frühen 15. Jahrhundert lagen: Schon am 6. April 1525
hatte der Berner Rat nämlich verordnet, daß alle Ehesachen zuerst dem Stadtgencht
und nur nach einer entsprechenden Entscheidung desselben auch an den bis dahin
dafür zuständigen geistlichen Dekan gelangen sollten.5
1. Hierzu vgl. Pfister, Kirchengeschichte der Schweiz II, S. 71-74; RE 2, S.614-619; de Quer-
vain, Geschichte der bernischen Kirchenreformation; Mnralt, Renaissance und Reformation,
S.480-488; Bandle, Schweizer-Geschichte, S. 75 f.
2. Freilich war Konrad Treger der einzige namhafte Vertreter der altgläubigen Partei m diesem
stark von einer evangehschen Mehrheit beherrschten Religionsgespräch.
3. Bucer und Capito knüpften m Bern wichtige Kontakte u. a. zu dem Berner Prediger Berthold
Haller und zu dem Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer; auf der Durchreise führten sie m Ba-
sel ausführliche Gespräche mit Johannes Oekolampad. Zu Bucers Beteiligung an der Berner Dispu-
tation vgl. Greschat, Bucer, S.90f.; Besch, Bucers Sprache, S.25-27; Backus, Patristic Tradition,
S. 55-58; Pollet II, S.405-412; Baum, Capito und Butzer, S. 394-401; Pfister, Kirchengeschichte der
Schweiz II, S. 70—79. Die Disputationsakten sind ediert: BDS 4, S. 31 —1 54; eine von Bucer zu die-
sem Anlaß in Bern gehaltene Predigt gibt BDS 2, S. 281—294 wieder.
4. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S.318.
5. Köhler., Zürcher Ehegericht I, S.309. Die zunehmende Beschränkung der Kompetenzen des
geistlichen Gerichts durch die welthche Obrigkeit Berns begann 1405. Vgl. Köhler., Zürcher Ehege-
richt I, S.3iof.
Gutachten Capitos und Bucers für den Berner Rat
zu zwei Ehescheidungsfragen
[nach 2p. November 1532]
Einleitung
1. Entstehung
Die Reformation in der Stadt und der Landschaft Bern wurde durch ein Mandat des
Rates am 7. Februar 1528 eingeführt. Unmittelbarer Anlaß dieser lange hinausgezö-
gerten Entscheidung war der durchschlagende Erfolg der evangelischen Seite bei der
geschichtswirksamen Berner Disputation1, die unter Beteihgung von über zwei-
hundert Theologen vom 6. bis zum 26. Januar 1528 stattfand. Capito und Bucer wa-
ren zu diesem Anlaß eigens aus Straßburg angereist und nahmen neben dem eigent-
lichen Wortführer Huldrych Zwingli aktiv an dem Wortgefecht mit altgläubigen
Theologen2 teil.3
Zu den durch das anschheßende Reformationsmandat vom 7. Februar 1528 be-
schlossenen Maßnahmen gehörte die ausdrückliche Ubernahme der bisher von der
Geistlichkeit beanspruchten richterlichen Funktionen durch die weltliche Obrig-
keit.4 Was die Ehegerichtsbarkeit angeht, bedeutete dies aber nur die nachträgliche
Bestätigung eines Vorgangs, der schon fast zwei Jahre vorher stattgefunden hatte
und dessen Wurzeln sogar im frühen 15. Jahrhundert lagen: Schon am 6. April 1525
hatte der Berner Rat nämlich verordnet, daß alle Ehesachen zuerst dem Stadtgencht
und nur nach einer entsprechenden Entscheidung desselben auch an den bis dahin
dafür zuständigen geistlichen Dekan gelangen sollten.5
1. Hierzu vgl. Pfister, Kirchengeschichte der Schweiz II, S. 71-74; RE 2, S.614-619; de Quer-
vain, Geschichte der bernischen Kirchenreformation; Mnralt, Renaissance und Reformation,
S.480-488; Bandle, Schweizer-Geschichte, S. 75 f.
2. Freilich war Konrad Treger der einzige namhafte Vertreter der altgläubigen Partei m diesem
stark von einer evangehschen Mehrheit beherrschten Religionsgespräch.
3. Bucer und Capito knüpften m Bern wichtige Kontakte u. a. zu dem Berner Prediger Berthold
Haller und zu dem Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer; auf der Durchreise führten sie m Ba-
sel ausführliche Gespräche mit Johannes Oekolampad. Zu Bucers Beteiligung an der Berner Dispu-
tation vgl. Greschat, Bucer, S.90f.; Besch, Bucers Sprache, S.25-27; Backus, Patristic Tradition,
S. 55-58; Pollet II, S.405-412; Baum, Capito und Butzer, S. 394-401; Pfister, Kirchengeschichte der
Schweiz II, S. 70—79. Die Disputationsakten sind ediert: BDS 4, S. 31 —1 54; eine von Bucer zu die-
sem Anlaß in Bern gehaltene Predigt gibt BDS 2, S. 281—294 wieder.
4. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S.318.
5. Köhler., Zürcher Ehegericht I, S.309. Die zunehmende Beschränkung der Kompetenzen des
geistlichen Gerichts durch die welthche Obrigkeit Berns begann 1405. Vgl. Köhler., Zürcher Ehege-
richt I, S.3iof.