I I. GUTACHTEN FUR DEN BERNER RAT
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Am 29. Mai 1528 richtete der Berner Rat ein eigens fiir Ehefälle und kirchliche
Angelegenheiten zuständiges, aus sechs Mitgliedern bestehendes »Chorgericht«
ein.6 Es tagte zum ersten Mal am 5. Juni 1528, nachdem das Rats- und Chorgerichts-
mitglied Niklaus Manuel in Zürich eine intensive Einweisung m die dortige Ehege-
richtspraxis erhalten hatte.7 Als Berner Ehegerichtsordnung diente zunächst dieje-
nige Zürichs.8 Am 15. Februar 1529 wurde beschlossen, einem der Ratsvertreter das
Amt des »Richters am Chorgericht« zuzusprechen.9 Am 8. März 1529 wurde
schließlich eine an das Zürcher Vorbild stark angelehnte Berner Ehegerichtsord-
nung gedruckt.10 Eine überarbeitete und ergänzte Fassung derselben wurde am 13.
November 1530 veröffentlicht.11
Aber auch die revidierten und präzisierten Bestimmungen der neuen Ehege-
richtsordnung von 1530 reichten mcht aus, um eine eindeutige Richtlmie für alle
Fälle anzubieten. Dies zeigt eine Bitte der Ehenchter an den Rat vom 14. Oktober
1532, weitere Verbesserungen und Präzisierungen vorzunehmen. Für Konflikte
sorgte insbesondere eine Bestimmung m der Ehegenchtsordnung, die die Eheschlie-
ßung mit derjenigen Person verbot, mit der man Ehebruch begangen hatte.12 Zwei
Interpretationen stießen hier aufeinander: Während die einen auf eine konsequente,
keine Ausnahmen zulassende Anwendung dieser Verordnung bestanden, meinten
die anderen, diese beziehe sich nur auf diejenigen Ehefälle, die tatsächlich vor dem
Gericht zur Scheidung gebracht wurden; wer dagegen nach dem Tode seiner Ehe-
frau eine Frau heiraten wolle, mit der er schon zu Lebzeiten der ersten Frau und mit
deren Wissen und Duldung ein kontmuierhches intimes Verhältms unterhalten
habe, dem solle dies erlaubt sem.13
Zur Untersuchung dieser Frage berief der Rat eine Kommission, die am 8. No-
vember 1532 zum ersten Mal tagte. Sie erweiterte das zu klärende Problem auf zwei
Fragen: 1. Wenn ein schuldhaft Geschiedener trotz vom Ehegericht verhängtem
Eheverbot erneut heiratet, ist diese Ehe gülttg? 2. Darf man denjenigen heiraten, mit
6. Von den sechs Mitgliedern waren zwei vom Rat, zwei vom großen Rat und zwei aus dem Kreis
der Prädikanten (in diesem Fall Berthold Haller und Kaspar Megander; der Prädikant Franz Kolb
ersetzte Megander Ende 1529); vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 319. Bern folgte somit dem Bei-
spiel Zürichs; vgl. den betreffenden Abschmtt aus der Zürcher Ehegenchtsordnung von 1525, ZW
4, S. 183,6—9. Der offizielle Name des Chorgenchts war »Consistorium Bernense«.
7. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 319 f. Später übernahm das Chorgericht auch Funktionen
eines Sittengenchtes und einer Verwaltungsbehörde. Eine vollständige Auflistung seines Betäti-
gungsfeldes: Köhler, S.324.
8. Vgl. ZW 4, S. 176-187.
9. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 322. Freilich nannte Berthold Haller schon am 31. Mai 1528
Niklaus Manuel mit dem moffiziellen Titel »unus mdex consistorn« (Köhler, S. 319).
10. Unter dem Titel »Ordnung und Satzung des Eegerichts, Straf des Eebruchs und Hury«. Zu
den Z.T. wörtlichen Ubernahmen aus der Zürcher Ehegenchtsordnung vgl. Köhler, Zürcher Ehege-
richt I, S. 324-326. Vgl. auch Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 381.
11. Unter dem Titel »Ordnung und Satzung des Eegerichts, Straf des Eebruchs und Hury, mit
angehenckter lüterung wie es zu Bern gehalten wirdt.« Vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht I, S.333,
Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 381—389.
12. Vgl. Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S.386,12^22-26.
13. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 334.
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Am 29. Mai 1528 richtete der Berner Rat ein eigens fiir Ehefälle und kirchliche
Angelegenheiten zuständiges, aus sechs Mitgliedern bestehendes »Chorgericht«
ein.6 Es tagte zum ersten Mal am 5. Juni 1528, nachdem das Rats- und Chorgerichts-
mitglied Niklaus Manuel in Zürich eine intensive Einweisung m die dortige Ehege-
richtspraxis erhalten hatte.7 Als Berner Ehegerichtsordnung diente zunächst dieje-
nige Zürichs.8 Am 15. Februar 1529 wurde beschlossen, einem der Ratsvertreter das
Amt des »Richters am Chorgericht« zuzusprechen.9 Am 8. März 1529 wurde
schließlich eine an das Zürcher Vorbild stark angelehnte Berner Ehegerichtsord-
nung gedruckt.10 Eine überarbeitete und ergänzte Fassung derselben wurde am 13.
November 1530 veröffentlicht.11
Aber auch die revidierten und präzisierten Bestimmungen der neuen Ehege-
richtsordnung von 1530 reichten mcht aus, um eine eindeutige Richtlmie für alle
Fälle anzubieten. Dies zeigt eine Bitte der Ehenchter an den Rat vom 14. Oktober
1532, weitere Verbesserungen und Präzisierungen vorzunehmen. Für Konflikte
sorgte insbesondere eine Bestimmung m der Ehegenchtsordnung, die die Eheschlie-
ßung mit derjenigen Person verbot, mit der man Ehebruch begangen hatte.12 Zwei
Interpretationen stießen hier aufeinander: Während die einen auf eine konsequente,
keine Ausnahmen zulassende Anwendung dieser Verordnung bestanden, meinten
die anderen, diese beziehe sich nur auf diejenigen Ehefälle, die tatsächlich vor dem
Gericht zur Scheidung gebracht wurden; wer dagegen nach dem Tode seiner Ehe-
frau eine Frau heiraten wolle, mit der er schon zu Lebzeiten der ersten Frau und mit
deren Wissen und Duldung ein kontmuierhches intimes Verhältms unterhalten
habe, dem solle dies erlaubt sem.13
Zur Untersuchung dieser Frage berief der Rat eine Kommission, die am 8. No-
vember 1532 zum ersten Mal tagte. Sie erweiterte das zu klärende Problem auf zwei
Fragen: 1. Wenn ein schuldhaft Geschiedener trotz vom Ehegericht verhängtem
Eheverbot erneut heiratet, ist diese Ehe gülttg? 2. Darf man denjenigen heiraten, mit
6. Von den sechs Mitgliedern waren zwei vom Rat, zwei vom großen Rat und zwei aus dem Kreis
der Prädikanten (in diesem Fall Berthold Haller und Kaspar Megander; der Prädikant Franz Kolb
ersetzte Megander Ende 1529); vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 319. Bern folgte somit dem Bei-
spiel Zürichs; vgl. den betreffenden Abschmtt aus der Zürcher Ehegenchtsordnung von 1525, ZW
4, S. 183,6—9. Der offizielle Name des Chorgenchts war »Consistorium Bernense«.
7. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 319 f. Später übernahm das Chorgericht auch Funktionen
eines Sittengenchtes und einer Verwaltungsbehörde. Eine vollständige Auflistung seines Betäti-
gungsfeldes: Köhler, S.324.
8. Vgl. ZW 4, S. 176-187.
9. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 322. Freilich nannte Berthold Haller schon am 31. Mai 1528
Niklaus Manuel mit dem moffiziellen Titel »unus mdex consistorn« (Köhler, S. 319).
10. Unter dem Titel »Ordnung und Satzung des Eegerichts, Straf des Eebruchs und Hury«. Zu
den Z.T. wörtlichen Ubernahmen aus der Zürcher Ehegenchtsordnung vgl. Köhler, Zürcher Ehege-
richt I, S. 324-326. Vgl. auch Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 381.
11. Unter dem Titel »Ordnung und Satzung des Eegerichts, Straf des Eebruchs und Hury, mit
angehenckter lüterung wie es zu Bern gehalten wirdt.« Vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht I, S.333,
Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 381—389.
12. Vgl. Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S.386,12^22-26.
13. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 334.