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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0034
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Nr. 2
Gutachten Bucers zu Ehescheidung und Wiederheirat
im Falle von Lepra
Consilium de coniugio leprosorum
[ca. 1526?]

Einleitung
Dieses undatierte Gutachten Bucers, das nur m einer zeitgenössischen Kopie von
unbekannter Hand überhefert ist, gibt zahlreiche Rätsel über seine Entstehungsum-
stände auf. Auffälhg ist die große Vorsicht, mit der Bucer sein Urteil über den vorge-
gebenen Fall formuliert. Hier spricht kein Gremium von Pfarrern selbstbewußt eme
allgemeingültige Entscheidung zu einem Eherechtsproblem aus, sondern es wird
eine Lösung behutsam herausgearbeitet, die ausdrücklich nur für diejemgen gelten
soll, die »allein die Ehre Gottes und mitnichten etwas anderes« suchen. Bucer äußert
sich besorgt darüber, daß das hier Gesagte zum Vorwand für »fleischhche« Eigen-
sucht mißbraucht werden könnte, und nimmt deswegen eine ausschließlich an die
»Schäflem Christi« gerichtete Auslegung des Wortes Gottes vor. Tatsächhch über-
wiegen eher die Momente eines seelsorgerlichen Ratschlags als diejenigen emes ehe-
rechthchen Gutachtens.
Veranlaßt werden die Ausführungen Bucers durch den Wunsch emes ungenannten,
aus dem Dorf Börsch1 2 stammenden Mannes, dessen Frau an Lepra erkrankt und
von der Obngkeit in ein städtisches Leprosorium eingewiesen worden tst , sich von
seiner kranken Frau zu scheiden und eine neue Ehe eingehen zu dürfen. Der Antrag
tst bnsant, weil er nach bestehendem kanonischen Recht nur negativ entschieden
werden kann: Die Dekretalen Gregors IX. gebieten dem gesunden Ehepartner, dem
leprakranken Ehepartner in die Absonderung zu folgen und mit ihm weiterhin in
ehehcher Gemeinschaft zu leben3. Bucer leitet deshalb seine Ausführungen mit der
scharfen Warnung ein, das Folgende als nur an »wahre Christen« gerichtet zu ver-
stehen.
1. Vgl. unten S. 33, Anm. 1.
2. In Städten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit wurden Leprakanke m städtische Le-
prosorien eingewtesen, die, obwohl von der welthchen Obrigkeit verwaltet, dem kanomschen
Recht und der kirchlichen Rechtsprechung unterstanden. Städtische Arzte führten die Lepraschau
durch. Eine äußerst ausführliche Besprechung der gesellschafthchen Bedeutung der Lepra im Spät-
mittelalter, des ktrchlichen und obngkeithchen Umgangs mit Leprakranken sowie der rechtlichen
Stellung derselben, besonders in den Städten, bietet Reicke, Das dcutsche Spital I, S. 310-326 und II,
S. 233-286. Zu den Straßburger Leprosenhäusern vgl. Winckelmann, Fürsorgewesen I, S. 30-41.
AUgemein zum Thema: Isenmann, S. 185.
3. Liber Extra, lib.4, tit. 8, c. 1: »... mandamus ..., ut uxores viros, et viri uxores, qui leprae mor-
bum tncurrunt, sequantur, et eis comugah affectione mimstrent«, Friedberg II, Sp. 6yo I.
 
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