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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0144
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I I. GUTACHTEN FUR DEN BERNER RAT

dem man Ehebruch begangen hat? Eine endgültige Regelung sollte bis zum 22. No-
vember 1532 gefunden werden.14 Die Kommission nahm sich jedoch mehr Zeit und
richtete eine Anfrage an die Räte der Städte Zürich, Basel, Konstanz und Straßburg,
in der sie um Stellungnahme zu den beiden Fragen baten. Die Anfrage wurde frühe-
stens am 29. November 1532 abgeschickt.15
Da das vorliegende undatierte Gutachten Capitos und Bucers genau dieselben
Fragen anspricht16, die m der Berner Anfrage vom 29. November 1532 formuliert
werden, kann man davon ausgehen, daß es in den Wochen oder Monaten danach
verfaßt wurde. Sowohl Capito als auch Bucer standen mit dem Berner Reformator
Berthold Haller17 sowie mit dem dortigen Ratls in reger Korrespondenz. So wird
verständhch, daß beide sich der Berner Anfrage annahmen.

2. Inhalt
Die im folgenden edierte Schnft stellt im wesentlichen ein an den Berner Rat gench-
tetes, aber die Straßburger Ratsherren ansprechendes Plädoyer Capitos und Bucers
dar, bei der Anwendung der Ehegerichtsordnung nicht an falscher Stelle Strenge
walten zu lassen und mehr auf den Geist als auf den Buchstaben des Gesetzes zu
achten.19 Das Ehegericht solle immer die Entscheidung fällen, die dem sitthchen
Wohl der ganzen Gemeinschaft am besten diene. Dies werde in einzelnen Fällen be-
deuten, 1m Gesetz nicht vorgesehene Zugeständnisse zu gewähren, die die allge-
meme Ehrbarkeit mehr förderten, als eine rigorose aber letzthch kontraproduktive
Gesetzesanwendung. Es werden also Gedanken, die in der späteren großen Ulmer
Eheschrift zur Entfaltung kommen20, schon im Kern vorweggenommen.
Zu Beginn der Schrift nehmen sich Capito und Bucer vor, die Anfrage von Schult-
heiß und Rat zu Bern »gotlichem wort gemäß« zu beantworten [ir]. Die ersten vier-
zehn Seiten des Gutachtens werden der Beantwortung der ersten Frage - ob die
ohne Erlaubms des Ehegerichtes geschlossene zweite Ehe eines schuldhaft Geschie-
denen gültig sei - gewidmet [ir-7v]; die zweite Frage - ob man den heiraten dürfe,

14. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 335.
15. Köhler, Zürcher Ehegencht I, S. 335 kennt diese Anfrage nicht, obwohl er sie aufgrund eines
Zürcher Gutachtens vom Dezember 1532 deduziert. Sie stammt vom Schultheißen und vom Rat zu
Bern; eine Abschnft befindet sich tm Berner SArch, Deutsches Missivenbuch, Band T, A III 22,
S. 722. Zum Wortlaut derselben vgl. unten S. 144, Anm. 6.
16. Vgl. die Übereinstimmung im Wortlaut zwischen der Abschrift der Anfrage im Berner
SArch (vgl. unten S. 144, Anm. 6 und der Wiederholung derselben im Gutachten Capitos und Bu-
cers, S. 145,5-8 und 158,5-8.
17. Haller war vor allem der Schreibende, Bucer und Capito waren die Briefempfänger. Vgl.
BCor III, Nr. 209, 230 und 247; Rott, Liste alphabetique, S. 39; Millet, Nr. 469, 523 und 534.
18. Vgl. BCor IV, Nr.281; Rott, Liste alphabetique, S.6f. Bucer widmete seinen Johanneskom-
mentar dem Berner Rat am 18. März 1528; vgl. BOL 2, S. 1-15; BCor III, Nr. 183.
19. Vgl. auch die ausführliche Besprechung dieses Gutachtens bei Selderhuis, Huwehjk, S. 360-
364 (= Marriage, S. 323-326).
20. Vgl. unten besonders S. 178,13-186,10, S. 3 52,16-3 53,4 und S.404,1-4.
 
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