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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0127
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9- OB EINEM, DEM SEIN WEIB

I23
schrifft, das ir zwai in einem flaisch werden sein und nit drey, wellichs aus Schnitzers
oder eins andern maynung sein musst. Item, nichts schaidt die ehe dann der eebruch
und der todt.«12 Und da in der Ehesache Schnitzer weder Ehebruch noch Tod vorlä-
gen, sei eine Ehescheidung ausgeschlossen. Wenn ein Ehegemahl zur Leistung der
ehelichen Pflicht unfähig werde, »so soll das ander zu Gott umb genad der geduldt
und enthaltung bitten und allso mittleiden tragen.«13
Über anderthalb Jahre später war der Fall Schnitzer noch lmmer nicht erledigt.
Am 30. Oktober 1533 wandte sich der Ulmer Prediger Martm Frecht erneut an
Bucer mit der Bitte um einen Rat, wie angesichts der besorgniserregenden Ent-
wicklung des Falles vorzugehen sei: Der Ulmer Zimmermann habe inzwischen ei-
ner anderen Frau die eheliche Treue zugesagt; diese habe nun von lhm em Kind,
weigere sich jedoch - wohl aufgrund der fehlenden Legitimität der Verbindung
mit Schnitzer dieses bei sich zu behalten und aufzuziehen, wenn sie mcht vom
Rat dazu gezwungen werde.14 In Anbetracht der Tatsache, daß der Ulmer Rat
Schnitzer die Erlaubnis zur Wiederheirat stnkt veiweigere, kommt Frecht sogar
zu dem Vorschlag, daß Schnitzer bei einer erneuten Absage des Rates sich mit sei-
ner neuen Lebensgefährtin nach Straßburg begebe, um dort die neue Ehe in aller
Form von den Straßburger Predigern kirchlich einsegnen zu lassen.15 Der un-
glückliche Schnitzer bedränge, ja nötige Frecht mit seinen täglichen Bitten um
Hilfe. Der Ulmer Prediger beendet seinen Brief mit der fast verzweifelten Auffor-
derung: »Schreibe bitte zurück, was mit lhm zu machen sei!«16 Auch m einem
12. AOG4, S.413 ,IO-l6.
13. AOG 4, S. 413,22f. Einen ähnlichen Gedanken formuliert Luther in seiner 1522 erschienenen
Schrift »Vom ehelichen Leben«, WA 10 II, S. 291,25-292,6.
14. »Is altera fidem suam dedit, quae hisce diebus ex eo puerum habuit, quem recusat ut mater
penes se retinere at alere, msi a magistratu compellatur.« Pollet II, S. 220,5—7. In einem anderen 1m
Ulmer StArch überlieferten Brief Frechts an Bucer vom selben Datum heißt es: »Interim iste spe
bona cum quadam honesta muliere cohabitavit et ea puerum sustulit, quem ut spurium muheris affi-
nes et amici traducunt.« Vgl. Pollet II, S. 220, Anm. 3. Es ist nicht klar, welches Schreiben an Bucer
geschickt wurde.
15. »Quod si, ut vexor, nostri nullam m hac causa tulermt sententiam aut adversam saltem ilh e
iureconsultorum consilns dixermt, putasne faciendum, ut lpse lsthuc ad vos cum sua, quod dicitur,
praetensa comuge concedat, et m facie vestrae ecclesiae connubium sanctum accipiat.« Pollet II,
S. 220,9-13. Vgl. unten S. 478, Anm. 9.
16. »Quotidie miser llle homo me urget, solhcitat et cogit, ut sibi consulam. Rescribe quaeso
quid ei sit faciendum.« Pollet II, S. 220,13 h In dem zweiten iiberlieferten Schrciben Frechts (vgl.
oben Anm. 14) heißt es: »Rogo itaque te per Christum, ut in literis ad Berum [sc. den Ulmer Bürger-
meister Bernhard Besserer] scnbendis huius quoque miseri homims mentionem facias Berumque
moneas, ut sententiam m hac causa pronuntiare non velint, saltem lste bonus homo cum llla sua
praetensa, quod dicitur, comuge Argentmam vemant, ubi et ei suum consecretur et benedicatur con-
nubium.« Pollet II, S.220, Anm. 3. In seiner am 26. November 1533 abgeschlossenen umfassenden
Eheschrift für die Stadt Ulm geht Bucer auch ausführlich auf das Problem der Ehescheidung bei
Geisteskrankheit ein (vgl. unten S. 3 54,3-3 56,19), ohne den Fall Schnitzer ausdrücklich zu nennen.
Unter den sieben kntischen Rückfragen, die die Ulmer Vertreter Bucer während der Schweinfurter
Verhandlungen überreicht haben, befaßt sich die dritte — ohne Schmtzer zu nennen — mit der Frage
von Ehescheidung bei Geisteskrankheit. Zu diesem Punkt schrieb Bucer in seiner großen Ehe-
schrift: Falls die geschiedene Frau nach langer Zeit doch wieder gesund werde, bleibe die zweite Ehe
gültig (vgl. unten S. 394,10-399,20).
 
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