Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]; Buckwalter, Stephen E. [Oth.]; Schulz, Hans [Oth.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0495
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
I J. ARGUMENTA BUCERI PRO ET CONTRA

491

3. Zu Recht soll sichjeder Christ darum bemühen, sein Wort - darunter selbstver-
ständlich auch das bei der Eheschließung gemachte Versprechen an seinen Gemahl -
einzuhalten. Wenn das Seelenheil eines Menschen durch die Einhaltung eines Gelüb-
des aber gefährdet sei, dann dürfe er dieses in Ubereinstimmung mit Gott umgehen,
wie etwa wenn er emer zweiten Frau bedarf, um Unzucht zu vermeiden [48-49].
4. Die Empfindhchkeit auch frommer Menschen sollte nicht soweit berücksich-
tigt werden, daß man m Gefahr gerät, der Gemeinschaft mit Gott verlustig zu gehen.
Um der Schonung der Schwachen willen könne man überlegen, die zweite Ehefrau
eine Zeitlang vor dem emfachen Volk als Konkubine auszugeben [50-54].
Bucer schheßt mit vier Ratschlägen für diejenige, die mit ruhigem Gewissen eme
Doppelehe emgehen wollen:
1. Sie sollen Gott um die Gabe bitten, sich mit einer einzigen Frau zufneden zu
geben, da die monogame Ehe für alle Christen die Norrn ist.
2. Wenn sie meinen, doch nicht innerhalb einer monogamen Ehe ein gottsehges
Leben ftihren und Unzucht vermeiden zu können, sollen sie diese Angelegenheit
ausführlich und ohne Eile mit verständigen Menschen besprechen.
3. Falls es sich tatsächlich herausstellt, daß sie einer zweiten Frau bedürfen, sollen
sie mit dem Einverständnis verständiger Berater die Doppelehe eingehen, diese zu-
nächst aber geheimhalten. Bei Publikwerdung der Angelegenheit sollen sie weiter-
hm um ein stilles, zuchtvolles und gottesfürchtiges Leben bedacht sein.
4. Bei dieser Sache gilt es, stets eine demütige Flaltung einzunehmen und sich in
semer Schwachheit allein auf Christus zu verlassen.

3. Wirkung
Am 4. März 1540 heirateten Philipp von Hessen und Margarete von der Sale m Ro-
tenburg an der Fulda. Bucer, der sich auf dem Weg nach Schmalkalden befand und
von Philipp ohne nähere Angaben gebeten worden war, lhn in Rotenburg aufzusu-
chen25, und Melanchthon, den man ebenso ahnungslos von Schmalkalden herbei-
geholt hatte26, waren die überraschten Trauzeugen. In den Wochen und Monaten
danach zeichnete sich ab, daß Philipp im Gegensatz zur drmgenden Bitte Bucers,
Luthers und Melanchthons keineswegs gewillt war, seine neue Ehe geheimzuhalten,
hielt er sie doch gerade aufgrund der gutachterlichen Äußerungen der Theologen
für ausreichend legitimiert. Auch die Familie von Margarete von der Sale erwartete
vom Landgrafen die Erfüllung seines schon zu Beginn der Affäre gemachten Ver-
sprechens, sich zu seiner Ehe ganz offen zu bekennen.
Die sich schnell verbreitende Kunde von der Eheschließung hat all das eintreten
lassen, was die Theologen befürchtet und wovor sie gewarnt hatten: Die evangeli-

25. Eells, Attitude, S.103-105.
26. Brecht, Luther III, S. 207.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften