Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 14): Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531 - 1546 — Gütersloh, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30651#0556
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
552 14. brief an philipp iv. vonhanau-lichtenberg

sichts der dramatischen »außenpolitischen« Umstände, die die Entstehung dieses
Briefes begleiteten –der Zusammenbruch des Schmalkaldischen Heeres in Süddeutschland
und die reihenweise erfolgende Kapitulation oberdeutscher Reichsstädte
vor dem vorrückenden Kaiser –fällt die ruhige, fast abgeklärte Haltung auf,
mit der Bucer das Weiterbestehen des Täufertums hinnimmt. Er koppelt diese Einsicht
mit einer merklich nüchternen Einschätzung der unbefriedigenden moralischgeistlichen
Lage der eigenen Kirche. So gerät diese sehr lokale Stellungnahme zum
Reformationsentwurf eines elsässischen Pfarrers zu einer reichsweiten Bestandsaufnahme
der prekären Lage des Protestantismus, die Bucer mit äußerst selbstkritischen
geschichtstheologischen Schlußfolgerungen abschließt.

Die Schrift ist folgendermaßen gegliedert ¹ :

I. Bucer hat die Reformationsabhandlung des Hanau-Lichtenberger Reformators
Pantaleon Blasius studiert und attestiert die Schriftgemäßheit und die
Nützlichkeit dieser Schrift. Sie berücksichtige alles, was notwendig sei, um das
einfache Volk, das sich aufgrund der Mißstände des alten Glaubens in einer
beklagenswerten spirituellen Lage befindet, wieder zum Glauben zu bringen
(S. 554,1–555,16).

II. Vor allem die Bestimmungen der Reformschrift bezüglich der Taufe finden die
Zustimmung Bucers (S.555,17–30).

III. Gleichwohl äußert Bucer Bedenken gegen die dort gemachten Empfehlungen
zur Bestrafung der Täufer (S. 555,31–558,14):
A. Weder die Todesstrafe noch die Ausweisung außer Landes hält Bucer für geeignete
Strafen.

B. Die Bestimmungen zur Tötung von falschen Lehrern im Alten Testament
müssen in ihrem heilsgeschichtlichen Kontext verstanden werden: Damals
habe das ganze Volk sich dem Gesetz Gottes geschlossen unterworfen.

C. In der heutigen Zeit besteht jedoch diese Situation nicht: Es existiere in der
evangelischen Kirche noch keine gänzliche Wiederherstellung der Disziplin,
wie sie im Gebot Gottes vorgesehen ist.

D. Dies führe dazu, daß das einfache Volk sich vom ethischen Ernst der Täufer
angezogen fühlt. Es seien gerade die ethischen Defizite der bestehenden
evangelischen Kirche, die das unwissende Volk zu den Täufern treiben.

E. So nachvollziehbar dieser Irrtum auch sei, dürfe die Obrigkeit es nicht zulassen,
daß die christliche Lehre verletzt wird und der wahren Kirche ihre
Mitglieder abspenstig gemacht werden. Die Schwere dieses Vergehens erfordert
ein hartes Durchgreifen.

F. Dennoch sind sowohl Landesverweisung als auch lange Gefängnisstrafen
als unchristlich anzusehen. Viel angemessener dagegen wäre gemeinnützige
Strafarbeit, etwa im Handwerk oder in der Landwirtschaft, freilich nur so-

1. Vgl. auch die knappe Zusammenfassung des Inhalts in Adam,Territorien, S.99 f. und Arnold,
Le roˆ le, S.22–24.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften