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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 14): Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531 - 1546 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30651#0561
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14. brief an philipp iv. vonhanau-lichtenberg

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nit gar ¹ angenomen vnd ins werck gezogen (nemlich so fil die christliche zucht belanget),
die sich doch fur die Euangelischen ausgeben, vnd man dann auch solich
strenge des götlichen gesatzes nit vbet gegen allen abfelligen vnd abfürenden vnd
auch anderen lesteren, als Gotteslesteren, ehebruch, schwelgerei etc.

Dann aus solchem mangel gibt man den armen leuten solche ergernüs, das ir irthumb
nit ein solcher freuel wider Gott erfunden wirt, wie es bei dem Israel war,wa
iemand von irem Gottesdienst abfiele oder abfürte.

Nun aber,was des bei vns noch mangel ist vnd ergernis wirdt geben vnd wie einfeltig
solcher leuth irthumb imer sein kan, so solle doch kein christliche oberkeit
inen noch iemands anders gestatten, die christliche lehre vnd h[eiligen] Sacrament
im geringsten zu verletzen vnd lesteren, noch die gemeinden Christi zu verachten
vnd die leuthe dar von abzuziehen.

Bei welchenn dann aller christlicher bericht ² nit wolte helffen (in dem man aber
gar mit trawem ernst muß wol anhalten vnd | 474 |nit leichtlich nachlassen), gegen
solchen muß die Oberkeit ia straffe fürnemen vnd sie mit gewalt von irem vnd der
anderen verderben abhalten. Dann Gott nit mag schwerer verletzet, noch sein volck
verderblicher beschediget werden, dan so man die reine lehre Christi, die h[eiligen]
Sacrament vnd die gemeinschafft der kirchen lesteret und verkeret.

Die straff aber der landsverweisung ist warlich nit christlich. Dann die leuth, so
ein oberkeit so schedlich befindet, das sie die bei den iren nit gedulden solte, die kan
sie mit keinem guten gewissen anderen zuschicken oder zukommen lassen, Dann
man ie den nehisten wie vns selb lieben solle vnd die liebe mit der that beweisen. ³

So ist das lang einsetzen in die gewohnlichen, harten gefencknüssen auch wider
das natürlich ⁴ vnd keiserlich gesetz ⁵ .Dann die leut, so man also inhaltet, niemand
nutzen, vergebnen kosten verthun vnd werden doch durch solche straffen selten gebessert,
ia offt mehr geergert. ⁶

Derhalben, wa bei solchen verstockten Teufferen kein auffrur noch gottloser
freuel, sonder ein onuerständiger eifer vnd gottesforcht befunden vnd deshalben etwas
hoffnung were, sie dem Herren wider zü gewinnen, die wolt ich lieber also eingezogen
vnd gestraffet werden, das sie dennoch arbeiten vnd ir eigen brot gewinnen
möchten vnd doch niemand verfüren kondten ⁷ .Als, so sie handwerck könden, das
sie in ire oder andere gelegene heuser,indenen die niemand zu verfüren hetten, verbannet
würden. Oder, sosie baursleut weren, das man sie auch zu solchen leuthen
in der arbeit verordnete, da des verfürens kein gefar were. Die Turcken und Hun-

1. gänzlich.
2. Unterrichtung, Unterweisung.
3. Ähnlich argumentiert Bucer zehn Jahre zuvor in seinem ›Ratschlag der Wiedertäufer halber‹
für Philipp von Hessen (vgl. oben S.442,2–16).
4. Ausführlich zu Bucers Verständnis des Naturrechts vgl. Zwierlein, Reformation als Rechtsreform,
S.41–50; vgl. auch BDS 6,2, S.113,19–114,17.
5. Vgl. oben S.442, Anm. 7.
6. Vgl. die Bemerkung Bucers in einem Brief an Philipp von Hessen vom 4. November 1538:

»Die lange gefangnuß aber macht auch blöde leut« (Lenz I, S.52; Franz, TAHessen, S. 242).
7. Diese pädagogisch intendierte Bestrafung der Täufer sieht Bucer bereits in seinem Gutachten
für Philipp von Hessen vom Sommer 1536 vor (vgl. oben S. 442,17–444,5).
 
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