558 14. brief an philipp iv. vonhanau-lichtenberg
ger ¹ (wie vor zeiten auch die Römer ² vnd fil andere nationen) haben den brauch,
das sie ihrer leuthen, die sie zur straff verbannen oder von feinden fahen, zu nutz geprauchen
vnd sie doch gefangen halten ³ .
Es werden die ding wol seltzam etwan angesehen ⁴ ;essolte vns Christen aber
nichts so seltzam angesehen werden; wir soltens eher versuchen vnd in brauch brin- 5
gen, dann ⁵ offentlich wider Gott thun, alß warlich das verweisen ist solcher schedlichen
leuten. Dann ie onuerschalkter vnd erbarer dise leut geachtet werden, ie mehr
sie der anderen verfüren. Wa nun ein oberkeit leuth hette, die sie wußte in solcher
verwirrung sein, das sie, wa sie hinkemen, die heuser mit fewr anstiessen vnd meyneten,
sie thetten in dem Gott ein dienst, weren auch onedas ⁶ sonder ⁷ allen taddel, 10
dise leut kondte ie kein oberkeit mit gutem gewissen von sich zu anderen leuten
kommen lassen. Nun ist zerstörung warer religion fil ein grösser schade dann ⁸ heuser
abbrennen. So fil hab ich bedenckens von dem, das m[agister] Panthaleon von
maß, die Widerteuffer zu straffen, gesetzet hat. | 475 |
Das ander alles, so er in disem verfertigtem theil hat gesetzet, ist warlich christlich 15
vnd wol gesetzet vnnd würd grosse besserung bringen, wa mans also ins werck ziehen
wurdt. Das hatt ein ieder Christ wol zu erkennen, der bedencken will, mit was
ernste man der ewigen götlichen maiestet solle dienen vnd mit was herzlichster andacht
man solle vor dem Herren in seiner heiligen gemeinde erscheinen vnd ernstes
seien vorgestellet. So ist auch warlich die sünde der genandten Christenheit in so 20
langgewereter,gantz verechtlicher vnd abgottischer haltung vnd verkerung aller kirchenübungen
so gros vnnd trucket vns zu disen betriebten zeiten so vbel, das wir
billich die besserung hierin zum aller ernstlichsten sollen vernemen vnd vnderstohn
⁹ zu erstatten, das auch nach empfanger gnaden des h[eiligen] Euangelii wir
hieran bis her versaumet vnd verlasset haben. 25
Darumb auch niemand sich damit solle ausreden, das es nit auch da oder dort so
fleißig vnd ernstlich werde gehalten. Dann die Christen nit vff der menschen farlessigkeit,
sonder vff Gottes gepot vnd das exempel Christi, der Propheten und Apostolen
sehen sollen, vnd ein ieder gern wöllen der erste sein in der gehorsame vnd
dienst gottes. Es ist auch hoch zeit, warlich, das wir vns zum Herren vnd seinem 30
wort keren von ganztem hertzen, gantzer selen vnd allen krefften ¹⁰ .
1. Ungarn.
2. Vgl. oben S.442, Anm. 7.
3. Möglicherweise denkt Bucer an die seit dem 16. Jahrhundert im osmanischen Reich immer
häufiger angewandte Strafe des Galeerendienstes (vgl. hierzu Tellenbach, Strafe im islamischen
Strafrecht, S. 28; Kramer/Reinkowski, Die Türkei und Europa, S.57f.).
4. Vgl. etwa die ausdrückliche Ablehnung dieses Vorschlags durch die Räte Philipps von Hessen
1536 (vgl. oben S.444, textkritische Anm. q).
5. als.
6. imübrigen.
7. ohne.
8. als.
9. uns anschicken, unternehmen, versuchen.
10. Vgl. Dtn 6,5; Lk20,27.
ger ¹ (wie vor zeiten auch die Römer ² vnd fil andere nationen) haben den brauch,
das sie ihrer leuthen, die sie zur straff verbannen oder von feinden fahen, zu nutz geprauchen
vnd sie doch gefangen halten ³ .
Es werden die ding wol seltzam etwan angesehen ⁴ ;essolte vns Christen aber
nichts so seltzam angesehen werden; wir soltens eher versuchen vnd in brauch brin- 5
gen, dann ⁵ offentlich wider Gott thun, alß warlich das verweisen ist solcher schedlichen
leuten. Dann ie onuerschalkter vnd erbarer dise leut geachtet werden, ie mehr
sie der anderen verfüren. Wa nun ein oberkeit leuth hette, die sie wußte in solcher
verwirrung sein, das sie, wa sie hinkemen, die heuser mit fewr anstiessen vnd meyneten,
sie thetten in dem Gott ein dienst, weren auch onedas ⁶ sonder ⁷ allen taddel, 10
dise leut kondte ie kein oberkeit mit gutem gewissen von sich zu anderen leuten
kommen lassen. Nun ist zerstörung warer religion fil ein grösser schade dann ⁸ heuser
abbrennen. So fil hab ich bedenckens von dem, das m[agister] Panthaleon von
maß, die Widerteuffer zu straffen, gesetzet hat. | 475 |
Das ander alles, so er in disem verfertigtem theil hat gesetzet, ist warlich christlich 15
vnd wol gesetzet vnnd würd grosse besserung bringen, wa mans also ins werck ziehen
wurdt. Das hatt ein ieder Christ wol zu erkennen, der bedencken will, mit was
ernste man der ewigen götlichen maiestet solle dienen vnd mit was herzlichster andacht
man solle vor dem Herren in seiner heiligen gemeinde erscheinen vnd ernstes
seien vorgestellet. So ist auch warlich die sünde der genandten Christenheit in so 20
langgewereter,gantz verechtlicher vnd abgottischer haltung vnd verkerung aller kirchenübungen
so gros vnnd trucket vns zu disen betriebten zeiten so vbel, das wir
billich die besserung hierin zum aller ernstlichsten sollen vernemen vnd vnderstohn
⁹ zu erstatten, das auch nach empfanger gnaden des h[eiligen] Euangelii wir
hieran bis her versaumet vnd verlasset haben. 25
Darumb auch niemand sich damit solle ausreden, das es nit auch da oder dort so
fleißig vnd ernstlich werde gehalten. Dann die Christen nit vff der menschen farlessigkeit,
sonder vff Gottes gepot vnd das exempel Christi, der Propheten und Apostolen
sehen sollen, vnd ein ieder gern wöllen der erste sein in der gehorsame vnd
dienst gottes. Es ist auch hoch zeit, warlich, das wir vns zum Herren vnd seinem 30
wort keren von ganztem hertzen, gantzer selen vnd allen krefften ¹⁰ .
1. Ungarn.
2. Vgl. oben S.442, Anm. 7.
3. Möglicherweise denkt Bucer an die seit dem 16. Jahrhundert im osmanischen Reich immer
häufiger angewandte Strafe des Galeerendienstes (vgl. hierzu Tellenbach, Strafe im islamischen
Strafrecht, S. 28; Kramer/Reinkowski, Die Türkei und Europa, S.57f.).
4. Vgl. etwa die ausdrückliche Ablehnung dieses Vorschlags durch die Räte Philipps von Hessen
1536 (vgl. oben S.444, textkritische Anm. q).
5. als.
6. imübrigen.
7. ohne.
8. als.
9. uns anschicken, unternehmen, versuchen.
10. Vgl. Dtn 6,5; Lk20,27.