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14. brief an philipp iv. vonhanau-lichtenberg
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Ich hatte mich erstlich ob der grösse vnd fiele der schrifften entsetzet, da ichs aber
besehen, hab ich gefunden, das es gar nit zu fil ist, vnd auch nit allein dem volck, sonder
auch den wenig erfarnen dienern der kirchen gantz not und nutzlich, das es alles
so völlig ist vorgeschriben.
Dis mein bedencken vnd zeugnüs wöllen E[uer] g[naden] von mir gnediglich verston
vnd mir den langen verzug gnediglich verzeihen, den verursachtet haben andere
kirchengeschefft, die sich nit wolten lassen vffschieben. So bin ich auch ein zeit etwas
blöd ¹ gewesen.
Es ist sunst ein stück oder zwei in den andern bedachten, darinn ich etwas bedencken
habe, dauon ich ime, m[agister] Pantaleon ² ,selb schreibe, weil er die noch nit
hat verfertiget.
Vnser lieber Herre Christus wölle E[uer] g[naden] in disen betriebten Zeiten gnediglich
füren vnd leiten zum preis seines Namens vnd heil seines volcks, dem er
E[uer] g[naden] hat zum öbrigsten hirten vorgesetzet. Die sachen lassen sich ia eben
ernstlich ansehen, als wolte Gott dem Rö[mischen] Widerchrist fil verhengen ³ ,
aber er wirt die in ⁴ von hertzen suchen vnd anrüffen, nit lassen noch seine ehre einem
anderen geben. Nordlingen ist zu gnad vnd vngnad ⁵ ,|476 |Dünckelspühel zu
gnaden vffgenommen ⁶ ,der gleichen Giengen, Rotenburg vnd Hall ⁷ .Der religion
halben ist an denen orten noch keine enderung geschehen, aber auch kein satte vertröstung
derohalben.
Der liebe gott helffe seinem volck vff die wege, so im gefallen. Der Wege dises
kriegs hat im ia bishar nit gefallen, wie ers mit der that bewisen. ⁸ Man hats auch so
1. krank, schwach. Zu Bucers schon einige Jahre zuvor festgestellter vorzeitiger Alterung vgl. die
Aussagen Luthers in Tischreden 3840 und 3843 (WA TR 3, S.651f. und 655; Clemen, Luthers
Werke 8, S.182f.). Zum gesundheitlichen Zustand am Ende seines Lebens vgl. Greschat, Bucer,
S. 279 (= 1.Aufl., S.255).
2. Vgl. oben S.554, Anm. 6.
3. nachlassen, nachgeben, gestatten.
4. diejenigen, die ihn.
5. bedingungslos, auf Gedeih und Verderb. Grimm 8 (= IV,1,5), Sp.534. Zur demütigenden Kapitulation
Nördlingens vgl. Rublack, Eine bürgerliche Reformation, S. 247f.; Voges, Nördlingen,
S. 41f.; vgl. auch den ausführlichen Bericht Gereon Sailers in seinem Brief an Landgraf Philipp von
Hessen vom 8. Dezember 1546 (Lenz III, S.476).
6. erobert. Frühneuhochdt. WB 2, Sp.576.
7. Als die Nachricht eintraf, daß bömische und sächsische Truppen in Kursachsen einmarschiert
waren (vgl. unten S.560, Anm.2), löste das Heer des Schmalkaldischen Bundes sein Feldlager bei
Giengen an der Brenz am 22. November 1546 vollständig auf; in den darauffolgenden Wochen
konnte Kaiser Karl V. neben den von Bucer genannten Reichsstädten Nördlingen, Dinkelsbühl,
Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall auch noch das mächtige Ulm widerstandslos erobern.
Die von Bucer erwähnten vier Städte mußten je 100 000 Gulden »Sühnegelder« an Karl V.
zahlen (von Pölnitz, Fugger II, S. 326). Eine zusammenhängende Darstellung dieser Ereignisse im
Kontext des siegreichen Donaufeldzuges Kaiser Karls V. vom November und Dezember 1546 bietet
von Ranke, Deutsche Geschichte IV, S.358–364; Brandi, Kaiser Karl V., S.463 f.; Rabe, Deutsche
Geschichte, S.397–399; vgl. auch Moritz, Interim und Apokalypse, S. 89f.
8. Vgl. Bucers spätere theologische Deutung der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen
Krieg in: Greschat, Bucer, S.238 (= 1.Aufl., S. 218f.).
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Ich hatte mich erstlich ob der grösse vnd fiele der schrifften entsetzet, da ichs aber
besehen, hab ich gefunden, das es gar nit zu fil ist, vnd auch nit allein dem volck, sonder
auch den wenig erfarnen dienern der kirchen gantz not und nutzlich, das es alles
so völlig ist vorgeschriben.
Dis mein bedencken vnd zeugnüs wöllen E[uer] g[naden] von mir gnediglich verston
vnd mir den langen verzug gnediglich verzeihen, den verursachtet haben andere
kirchengeschefft, die sich nit wolten lassen vffschieben. So bin ich auch ein zeit etwas
blöd ¹ gewesen.
Es ist sunst ein stück oder zwei in den andern bedachten, darinn ich etwas bedencken
habe, dauon ich ime, m[agister] Pantaleon ² ,selb schreibe, weil er die noch nit
hat verfertiget.
Vnser lieber Herre Christus wölle E[uer] g[naden] in disen betriebten Zeiten gnediglich
füren vnd leiten zum preis seines Namens vnd heil seines volcks, dem er
E[uer] g[naden] hat zum öbrigsten hirten vorgesetzet. Die sachen lassen sich ia eben
ernstlich ansehen, als wolte Gott dem Rö[mischen] Widerchrist fil verhengen ³ ,
aber er wirt die in ⁴ von hertzen suchen vnd anrüffen, nit lassen noch seine ehre einem
anderen geben. Nordlingen ist zu gnad vnd vngnad ⁵ ,|476 |Dünckelspühel zu
gnaden vffgenommen ⁶ ,der gleichen Giengen, Rotenburg vnd Hall ⁷ .Der religion
halben ist an denen orten noch keine enderung geschehen, aber auch kein satte vertröstung
derohalben.
Der liebe gott helffe seinem volck vff die wege, so im gefallen. Der Wege dises
kriegs hat im ia bishar nit gefallen, wie ers mit der that bewisen. ⁸ Man hats auch so
1. krank, schwach. Zu Bucers schon einige Jahre zuvor festgestellter vorzeitiger Alterung vgl. die
Aussagen Luthers in Tischreden 3840 und 3843 (WA TR 3, S.651f. und 655; Clemen, Luthers
Werke 8, S.182f.). Zum gesundheitlichen Zustand am Ende seines Lebens vgl. Greschat, Bucer,
S. 279 (= 1.Aufl., S.255).
2. Vgl. oben S.554, Anm. 6.
3. nachlassen, nachgeben, gestatten.
4. diejenigen, die ihn.
5. bedingungslos, auf Gedeih und Verderb. Grimm 8 (= IV,1,5), Sp.534. Zur demütigenden Kapitulation
Nördlingens vgl. Rublack, Eine bürgerliche Reformation, S. 247f.; Voges, Nördlingen,
S. 41f.; vgl. auch den ausführlichen Bericht Gereon Sailers in seinem Brief an Landgraf Philipp von
Hessen vom 8. Dezember 1546 (Lenz III, S.476).
6. erobert. Frühneuhochdt. WB 2, Sp.576.
7. Als die Nachricht eintraf, daß bömische und sächsische Truppen in Kursachsen einmarschiert
waren (vgl. unten S.560, Anm.2), löste das Heer des Schmalkaldischen Bundes sein Feldlager bei
Giengen an der Brenz am 22. November 1546 vollständig auf; in den darauffolgenden Wochen
konnte Kaiser Karl V. neben den von Bucer genannten Reichsstädten Nördlingen, Dinkelsbühl,
Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall auch noch das mächtige Ulm widerstandslos erobern.
Die von Bucer erwähnten vier Städte mußten je 100 000 Gulden »Sühnegelder« an Karl V.
zahlen (von Pölnitz, Fugger II, S. 326). Eine zusammenhängende Darstellung dieser Ereignisse im
Kontext des siegreichen Donaufeldzuges Kaiser Karls V. vom November und Dezember 1546 bietet
von Ranke, Deutsche Geschichte IV, S.358–364; Brandi, Kaiser Karl V., S.463 f.; Rabe, Deutsche
Geschichte, S.397–399; vgl. auch Moritz, Interim und Apokalypse, S. 89f.
8. Vgl. Bucers spätere theologische Deutung der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen
Krieg in: Greschat, Bucer, S.238 (= 1.Aufl., S. 218f.).