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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0049
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Einleitung

ser Edikt wandte, wurde er Ende 1524 vor das Reichsregiment nach Esslingen zitiert und im Januar des
folgenden Jahres verhört.23 Eine Entscheidung vertagte das Gericht jedoch. Das Verhör blieb also letztlich
nicht nur folgenlos für Alber, sondern verschaffte der evangelischen Bewegung darüber hinaus gewissen
Vorschub.
Ebenso wie auch in anderen Reichsstädten ging vom Predigtamt in Reutlingen ein starker Impuls für
die Einführung der Reformation aus.24 Matthäus Alber, der als „schwäbischer Luther“25 zum führenden
Theologen und Reformator der Reichsstadt werden sollte und der zu den „Vätern der reformatorischen
württembergischen Kirche“26 gezählt werden kann, scharte rasch eine evangelische Gemeinde um sich und
erreichte, dass bereits 1523 die Mehrzahl der Mönche aus dem Franziskanerkloster austrat.27 Der Rat
duldete die evangelische Predigt. Als der äußere Druck nicht zuletzt durch Albers Verhör vor dem Reichs-
kammergericht jedoch zunahm und der Magistrat von seinem toleranten Kurs gegenüber den Neugläubigen
abzuweichen drohte, leisteten die Reutlinger Zünfte im Mai 1524 auf dem Marktplatz einen Eid auf das
evangelische Bekenntnis, den so genannten Reutlinger Markteid. Die Bevölkerung bezeugte damit gegen-
über dem Magistrat ihr Bekenntnis zum neuen Glauben.28

3. Einführung der Reformation 1526-1548
Trotz zahlreicher Anfeindungen und Repressalien seitens des Konstanzer Bischofs blieb Alber bei der evan-
gelischen Lehre und führte bedeutende Neuerungen in der Reichsstadt ein: Am 14. August 1524 feierte
er - vom Rat gebilligt - erstmals die Messe in deutscher Sprache und reichte das Abendmahl unter beiderlei
Gestalt.29 Seit Herbst 1525 konzipierte er eine evangelische Gottesdienstordnung. Nachdem Alber zunächst
versucht hatte, die altgläubige Priesterschaft in die Erarbeitung der Ordnung einzubinden, diese jedoch an
der lateinischen Messe festhielt, forderte er den Rat kurzerhand auf, die Messe in der Stadt abzuschaffen.
Der Versuch, den Konflikt durch eine Disputation zwischen den Theologen auf der Grundlage der Heiligen
Schrift zu lösen, scheiterte, der Rat verbot daraufhin sämtliche Messfeiern.30
Alber und die beiden Prädikanten Johann Schradin und Martin Reiser gestalteten den evangelischen
Gottesdienst schließlich so, dass er nur noch aus Predigt, Lied und Schriftlesung bestand.31 Aus einem Brief
Albers von Ende 1526 geht hervor, welche Neuerungen, insbesondere hinsichtlich des Gottesdienstes, ein-
geführt wurden:32 Darum haben wir geordnet, das am Morgen frue alle tag uf ein halbe Stund, nachgends um

23 Vgl. hierzu Volk, Verhör, S. 198-249 mit Abdruck des
Verhörprotokolls. Zu Albers Haltung während des Ver-
hörs siehe Brecht, Theologie, S. 65-76. Vgl. auch Rub-
lack/Scheible, Alber, S. 53f.; Hermle, Alber,
S. 25-29; Betz, Reformation in Reutlingen, S. 98-100,
ebd., S. 99 ein Abdruck der Vorladung Albers vom 13.
November 1524; Gayler, Denkwürdigkeiten,
S.263-266.
24 Rublack/Scheible, Alber, S. 55; Köhler, Ehege-
richt II, S. 27Of.
25 Ströle, Reutlingen, S. 37. Zur Ausrichtung von Albers
Theologie siehe Brecht, Theologie, S. 63-97.
26 Brecht, Theologie, S. 63.
27 Die Mönche verließen jedoch erst 1535 die Stadt, das
Kloster wurde anschließend als neues Spital genutzt,
Holtz, Kirche und Schule, S. 136; Betz, Reformation
in Reutlingen, S. 110.

28 Die Ereignisse um den Markteid sind in chronikalischen
Aufzeichnungen überliefert, Betz, Reformation in
Reutlingen, S. 94-96; Wunder, Jos Weiß, S. 51.
29 Hermle, Alber, S. 23f.; Brecht, Reutlingen, S. 16.
30 Brecht, Reutlingen, S. 15f.
31 Rublack/Scheible, Alber, S. 46; Gayler, Denkwür-
digkeiten, S. 238. Zu Johannes Schradin siehe Votte-
ler, Schradin, S. 21-71; Gayler, Denkwürdigkeiten,
S. 663-671; Cramer, Pfarrerbuch III, Nr. 368; Beger,
Relation, S. 341. Zu Martin Reiser siehe Gayler,
Denkwürdigkeiten, S. 671-675; Cramer, Pfarrerbuch
III, Nr. 319; Beger, Relation, S. 341.
32 Der Brief war an den Abt von Königsbronn gerichtet,
Alber rechtfertigte darin ausführlich die in Reutlingen
vorgenommenen Veränderungen, zitiert nach Gayler,
Denkwürdigkeiten, S. 281; vgl. Betz, Reformation in
Reutlingen, S. 102.

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