Einleitung
Zeit ließ man in Reutlingen ein Schriftstück39 verfassen, das die Grundlinien der Reutlinger Religionspolitik
darlegt. Es hat den Charakter einer Eingabe an Karl V.40 und stand vermutlich im Zusammenhang mit den
Reichstagen von 1529 und 1530.41
Im Frühjahr 1531 trat die Reichsstadt dem am 27. Februar gegründeten Schmalkaldischen Bund bei
und etwa zur gleichen Zeit ließ der Rat die zahlreichen Altäre und Bildwerke aus den Kirchen entfernen.42
Hierüber berichtete Johann Fizion in seiner Reimchronik aus dem 17. Jahrhundert:43
Die Hauptkürch, wie sie noch zu schawen,
Wurdt erstlich ussgeseibert gantz
Von Abergläubischer Substanz,
Unnd pepstischer Abgötterey,
Die Alltär Nider gerissen frey,
De[r]en es Vil dorinnen hett.
Die bilder ress man wegk mit Gspött,
Zerbrach, zerschluog sie mitt Unfuog,
War zimmlich frevlich ghandlett gnuog.
Der von Fizion dargestellte Gewaltakt gegen die Bilder44 fand in Reutlingen wie in den meisten der übrigen
südwestdeutschen Reichsstädte jedoch nicht in dieser gewaltsamen Form statt. Der Rat war vielmehr
darum bemüht, die Kirchen hinter verschlossenen Türen systematisch auszuräumen.45 Wann genau die
Bilder entfernt wurden, ist nicht bekannt. Aus einer Stellungnahme der Reutlinger Prädikanten gegen die
Anschuldigungen des Pfullinger Vikars und Reformationsgegners Burkhard Sinz aus der Zeit nach dem
26. Mai 1531 geht hervor, dass die Bilder um diese Zeit bereits entfernt waren: Dieweil dan nun unsere götzen
nit mee gedenckbilder, sonder rechte abgotter waren, den man gottliche eere bewisen, zuflucht gehabt, walfarten,
hilff und trost gewartet, das sy also zur lesterung Gottes, zum fall und ergernuß der menschen dastünden, sind sy
auß vermug hailiger schrifft billicher weiß von der oberkait hinweg gethon46
Aus Reutlingen ist eine Kirchenordnung überliefert, die laut Aufschrift durch die predicanten zu Reut-
lingen gestellt wurde. Verfasser und Entstehungsjahr sind nicht genannt.47 Die Forschung hat sich mit der
Entstehung der Reutlinger Kirchenordnung bislang nicht eingehend befasst, wodurch einige irrige Angaben
in Umlauf geraten sind: Häufig wurde die Reutlinger Gottesdienstreform 1525/26 mit der Kirchenordnung
in Zusammenhang gebracht.48 Beide Ereignisse sind jedoch klar voneinander zu unterscheiden: Nach einem
S. 77-94; Ströle, Reutlingen, S. 41-69. Die Bedeutung
des Augsburger Bekenntnisses für Reutlingen wird auch
an den Jubiläumsfeierlichkeiten der späteren Jahre deut-
lich, Junger, Feierlichkeiten, S. 103-115; Betz, Reut-
lingen und die Reformation, S. 11-28; Gayler, Denk-
würdigkeiten, S. 347-359.
39 „Instruktion und Unterricht, wie sich ein ehrsamer Rat
zu Reutlingen zu Handhabung des heiligen Evangeliums
und Abstellung der äußeren Zeremonien und Kirchen-
gebräuche in Handel geschlagen und geschickt habe“,
HStaatsA Stuttgart B 201, Bü 6. Der Text bezieht sich
an einer Stelle auf die Türkenbelagerung Wiens im Jahre
1529. Er wird also 1529/1530 entstanden sein. Vgl.
Gussmann, Quellen 1/1, S. 155; Brecht, Reutlingen,
S. 19f.; Ströle, Reutlingen, S. 43f.
40 Dies geht aus der Bemerkung alles bey kay. mt. inn aller
underthenigkhait anzepringen am Schluss des Dokuments
hervor.
41 Gussmann, Quellen 1/1, S. 154f.; Ströle, Reutlingen,
S. 43; Brecht, Reutlingen, S. 19.
42 Betz, Reutlingen und die Reformation, S. 30; Litz,
Bilderfrage, S. 80-90; Hartmann, Alber, S. 127f.;
Gayler, Denkwürdigkeiten, S. 419-421.
43 Fizion, Cronica, S. 271.
44 Hierauf geht die ältere Literatur zurück, Betz, Refor-
mation in Reutlingen, S. 108f.
45 Litz, Bilderfrage, S. 89f. In Reutlingen war es in einer
Kapelle zu Gewaltakten gegenüber Bildnissen gekom-
men. Im Januar 1532 ermittelte der Rat gegen die Täter,
StadtA Reutlingen A 1, Nr. 6501.
46 Zitiert nach der Edition bei Litz, Bilderfrage, S. 310.
47 Zur Diskussion um Verfasser, Entstehungszeit und Gül-
tigkeit äußern sich insbesondere Hermle, Alber, S. 39f.
und TRE 2, S. 173.
48 Ströle, Reutlingen, S. 38; Hartmann, Alber, S. 97ff.
und Anm. 14; Votteler, Lateinschule, S. 333; Mall,
31
Zeit ließ man in Reutlingen ein Schriftstück39 verfassen, das die Grundlinien der Reutlinger Religionspolitik
darlegt. Es hat den Charakter einer Eingabe an Karl V.40 und stand vermutlich im Zusammenhang mit den
Reichstagen von 1529 und 1530.41
Im Frühjahr 1531 trat die Reichsstadt dem am 27. Februar gegründeten Schmalkaldischen Bund bei
und etwa zur gleichen Zeit ließ der Rat die zahlreichen Altäre und Bildwerke aus den Kirchen entfernen.42
Hierüber berichtete Johann Fizion in seiner Reimchronik aus dem 17. Jahrhundert:43
Die Hauptkürch, wie sie noch zu schawen,
Wurdt erstlich ussgeseibert gantz
Von Abergläubischer Substanz,
Unnd pepstischer Abgötterey,
Die Alltär Nider gerissen frey,
De[r]en es Vil dorinnen hett.
Die bilder ress man wegk mit Gspött,
Zerbrach, zerschluog sie mitt Unfuog,
War zimmlich frevlich ghandlett gnuog.
Der von Fizion dargestellte Gewaltakt gegen die Bilder44 fand in Reutlingen wie in den meisten der übrigen
südwestdeutschen Reichsstädte jedoch nicht in dieser gewaltsamen Form statt. Der Rat war vielmehr
darum bemüht, die Kirchen hinter verschlossenen Türen systematisch auszuräumen.45 Wann genau die
Bilder entfernt wurden, ist nicht bekannt. Aus einer Stellungnahme der Reutlinger Prädikanten gegen die
Anschuldigungen des Pfullinger Vikars und Reformationsgegners Burkhard Sinz aus der Zeit nach dem
26. Mai 1531 geht hervor, dass die Bilder um diese Zeit bereits entfernt waren: Dieweil dan nun unsere götzen
nit mee gedenckbilder, sonder rechte abgotter waren, den man gottliche eere bewisen, zuflucht gehabt, walfarten,
hilff und trost gewartet, das sy also zur lesterung Gottes, zum fall und ergernuß der menschen dastünden, sind sy
auß vermug hailiger schrifft billicher weiß von der oberkait hinweg gethon46
Aus Reutlingen ist eine Kirchenordnung überliefert, die laut Aufschrift durch die predicanten zu Reut-
lingen gestellt wurde. Verfasser und Entstehungsjahr sind nicht genannt.47 Die Forschung hat sich mit der
Entstehung der Reutlinger Kirchenordnung bislang nicht eingehend befasst, wodurch einige irrige Angaben
in Umlauf geraten sind: Häufig wurde die Reutlinger Gottesdienstreform 1525/26 mit der Kirchenordnung
in Zusammenhang gebracht.48 Beide Ereignisse sind jedoch klar voneinander zu unterscheiden: Nach einem
S. 77-94; Ströle, Reutlingen, S. 41-69. Die Bedeutung
des Augsburger Bekenntnisses für Reutlingen wird auch
an den Jubiläumsfeierlichkeiten der späteren Jahre deut-
lich, Junger, Feierlichkeiten, S. 103-115; Betz, Reut-
lingen und die Reformation, S. 11-28; Gayler, Denk-
würdigkeiten, S. 347-359.
39 „Instruktion und Unterricht, wie sich ein ehrsamer Rat
zu Reutlingen zu Handhabung des heiligen Evangeliums
und Abstellung der äußeren Zeremonien und Kirchen-
gebräuche in Handel geschlagen und geschickt habe“,
HStaatsA Stuttgart B 201, Bü 6. Der Text bezieht sich
an einer Stelle auf die Türkenbelagerung Wiens im Jahre
1529. Er wird also 1529/1530 entstanden sein. Vgl.
Gussmann, Quellen 1/1, S. 155; Brecht, Reutlingen,
S. 19f.; Ströle, Reutlingen, S. 43f.
40 Dies geht aus der Bemerkung alles bey kay. mt. inn aller
underthenigkhait anzepringen am Schluss des Dokuments
hervor.
41 Gussmann, Quellen 1/1, S. 154f.; Ströle, Reutlingen,
S. 43; Brecht, Reutlingen, S. 19.
42 Betz, Reutlingen und die Reformation, S. 30; Litz,
Bilderfrage, S. 80-90; Hartmann, Alber, S. 127f.;
Gayler, Denkwürdigkeiten, S. 419-421.
43 Fizion, Cronica, S. 271.
44 Hierauf geht die ältere Literatur zurück, Betz, Refor-
mation in Reutlingen, S. 108f.
45 Litz, Bilderfrage, S. 89f. In Reutlingen war es in einer
Kapelle zu Gewaltakten gegenüber Bildnissen gekom-
men. Im Januar 1532 ermittelte der Rat gegen die Täter,
StadtA Reutlingen A 1, Nr. 6501.
46 Zitiert nach der Edition bei Litz, Bilderfrage, S. 310.
47 Zur Diskussion um Verfasser, Entstehungszeit und Gül-
tigkeit äußern sich insbesondere Hermle, Alber, S. 39f.
und TRE 2, S. 173.
48 Ströle, Reutlingen, S. 38; Hartmann, Alber, S. 97ff.
und Anm. 14; Votteler, Lateinschule, S. 333; Mall,
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