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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0053
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Einleitung

Zwingli59 in Zürich. In Zwinglis Theologie ist die Institution der Synode vorgebildet, zu der auch die
Reutlinger Prädikanten und Kirchendiener alle drei Monate zusammenkommen sollten.60
kann nicht sicher beantwortet werden
Ob die Reutlinger Kirchenordnung dem Rat vorgelegt wurde und dieser den Inhalten zustimmte, kann
aufgrund der schlechten Überlieferungslage nicht sicher beantwortet werden. Die Tatsache, dass der Reut-
linger Magistrat sich - auch gegen außenpolitische Widerstände - der Reformation öffnete, spricht jedoch
dafür, dass er daran interessiert war, das Kirchenwesen der Reichsstadt auf die Grundlage einer solchen
Ordnung zu stellen und sie demzufolge in Geltung zu setzen.
In den 1530er Jahren konsolidierte sich das evangelische Kirchenwesen in der Reichsstadt: Am 4. Mai
1535 wurde der Franziskanerkonvent aufgehoben und das Kloster dem Rat übergeben.61 Im selben Jahr
löste sich auch der Beginenkonvent auf. Die Einkünfte der Klöster wurden für den Unterhalt der Armen
verwendet, die verbliebenen Konventualen erhielten - ebenso wie in Esslingen62 - ein jährliches Leibge-
ding.63 Im September 1536 unterzeichnete Matthäus Alber die Wittenberger Konkordie,64 und 1539 wurde
nicht nur die alte Pfarrkirche St. Peter vor den Toren der Stadt abgebrochen,65 sondern auch das Barfü-
ßerkloster.66 Damit wurde der Bekenntniswechsel in Reutlingen auch im Stadtbild sichtbar.

4. Wiederaufrichtung des evangelischen Kirchenwesens nach dem Interim 1552-1618
3. Ordnung der Schule und des Kirchengesangs 20. Dezember 1565 / 8. Juli 1566 (Text S. 47)
Nachdem das Interim mit dem Passauer Vertrag 1552 offiziell beendet worden war, ging der Reutlinger Rat
an die Wiederaufrichtung des evangelischen Kirchenwesens. Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
ist das Fragment einer Schulordnung überliefert. Neben den Inhalten und dem Ablauf des Unterrichts in
der Reutlinger Lateinschule67 enthält diese Ordnung ausführliche Anweisungen für die musikalische Gestal-
tung des evangelischen Gottesdiensts durch die Schüler. Der Inhalt dieser Ordnung geht auf einen Entwurf
des Präzeptors Heinrich Ryesser zurück.68 Die Lateinschulordnung war schließlich am 20. Dezember 1565
fertiggestellt und wurde am 8. Juli 1566 vom Rat approbiert. Dieser Text, der zu Beginn auf den 8. Juli und
am Schluss auf den 20. Dezember datiert ist, wird im Stadtarchiv Reutlingen - vermutlich aufgrund der
zweifachen Datierung - in zwei Teilen unter zwei Signaturen geführt.69 Der Vergleich mit Ryessers Entwurf
sowie Übereinstimmungen der beiden Fragmente in Aufbau und Schreiberhand zeigen jedoch, dass es sich

59 Köhler, Zwingli und Luther I, S. 72f. Vgl. Zwingli,
Briefwechsel IV, Nr. 913 vom 3. September 1529; ders.,
Briefwechsel V, Nr. 1170 vom 21. Februar 1531. Ende
1531 interessierten sich auch Martin Bucer und Ambro-
sius Blarer für die Reformation in der Reichsstadt. Am
11. Dezember forderte Bucer Blarer auf, Reutlingen zu
besuchen, Schiess, Briefwechsel I, Nr. 247. Beide
tauschten sich brieflich ausführlich über den Fortgang
der Reformation in Reutlingen aus, ebd. Nr. 249-251.
60 Köhler, Ehegericht II, S. 278f.; Hermle, Alber,
S. 40f.
61 Gayler, Denkwürdigkeiten, S. 452-454.
62 Siehe unten, S. 359 Nr. 7.
63 Hermle, Alber, S. 41; Betz, Reformation in Reutlin-
gen, S. llOf.
64 Rublack/Scheible, Alber, S. 47.

65 Hoffstetter, Chronic, S. 62: hat man die Kirch uff
dem Gottsacker mit ihrem schönen Thurm abgebrochen.
66 Betz, Reformation in Reutlingen, S. 111. Zu den ein-
zelnen Abbrucharbeiten siehe auch Litz, Bilderfrage,
S. 79 und S. 88; Gayler, Denkwürdigkeiten, S. 419-421.
67 Die Reutlinger Lateinschule bestand seit 1276. Von 1511
bis 1513 war Matthäus Alber dort Provisor (Kollabora-
tor). Holtz, Kirche und Schule, S. 141f.; Votteler,
Lateinschule, S. 328-333.
68 StadtA Reutlingen A 1, Nr. 6960, vgl. Votteler,
Lateinschule, S. 334. Den Inhalt dieses Entwurfs refe-
riert, ebd., S. 335f.
69 Im Repertorium des Stadtarchivs Reutlingen wird A 1,
Nr. 6959 (vom 20. Dezember 1565) als Fragment und A
1, Nr. 6961 (vom 8. Juli 1566) als vollständiger Text
geführt.

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