Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0094
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ulm

Ehegericht überwog die Zahl der Geistlichen. Die Ehegerichtsordnung vom 8. April 1534 sah jedoch wieder
ausschließlich weltliche Personen als Eherichter vor:151 Das Fünferkollegium, bestehend aus drei Ratsherren
und zwei Personen, die nit des Raths und Regiments sein, wurde jährlich vom Rat neu besetzt.
Die Ehegerichtsordnung von 1534 regelt die erforderlichen Schritte bei Eheprozessen. Sie bestimmt, wie
die Zeugen vereidigt, welche Gebiihren für einzelne Leistungen erhoben und in welcher Weise die Verteidiger
tätig werden sollten.152 Die Eherichter hatten ihre Entscheidungen nach den Maßgaben der Ulmer Kir-
chenordnung zu treffen, außergewöhnliche Fälle sollten nach der „Straßburger Ordnung“ - d.h. nach Bucers
Gutachten „Von der Ehe und Ehescheidung“ von 1533 - entschieden werden.153 Die Eherichter sollten auch
den Rat der Geistlichen einholen, auf diesen allein jedoch kein Urteil fällen, sondern zuvor die oberrichter
konsultieren. Fälle, in denen die Eherichter in ihrer Urteilsfindung unschlüssig waren, sollten ebenfalls vor
die oberrichter gebracht werden.
Nach der Ulmer Ehegerichtsordnung, die vermutlich nicht das Werk Bucers ist,154 lag die Entschei-
dungsgewalt ausschließlich beim Rat, die Prädikanten wurden lediglich als Gutachter hinzugezogen. Das
Ehegericht besaß keinerlei Exekutivgewalt, es fungierte als reines Schiedsgericht, das zwar über Gültigkeit
einer Ehe, vorliegenden Ehebruch oder Scheidung entscheiden konnte, die Bestrafung der unterlegenen
Partei jedoch dem Rat überlassenmusste.155 Dies änderte sich erst nach dem Interim, als 1565 eine neue
Ehegerichtsordnung (Nr. 22) im Druck erschien.

8. Mandat zum Verbot des Messbesuchs außerhalb von Ulm 1537 (Text S. 191)
Nachdem in Ulm seit Juni 1531 keine Messen mehr stattfanden,156 hatten die wenigen Altgläubigen in der
Reichsstadt nicht mehr die Möglichkeit, ihren Glauben in der öffentlichen Gemeinschaft zu leben. Sie
begaben sich daher in katholisch gebliebene Territorien und Städte außerhalb des Ulmer Gebietes, um dort
die Messe zu feiern und sich die Sakramente spenden zu lassen. 1537 wandte sich der Ulmer Rat gegen diese
Praxis: Er verbot sämtlichen Bewohnern der Reichsstadt und ihres Territoriums den Besuch von Messen
außerhalb seines Herrschaftsbereichs und pochte damit auf sein reichsstädtisches Kirchenregiment.
9. a-cVisitationsartikel o.D. / 29. Juni 1534 / 1537 (Texte S. 192)
Die Einführung der neuen Lehre im ausgedehnten Ulmer Landgebiet war nur mit Hilfe regelmäßiger Syn-
oden und Visitationen möglich.157 Nachdem sich der Rat mit dem Examen der Ulmer Geistlichkeit im Juni
1531158 einen ersten Überblick über die Verhältnisse auf dem Land verschafft hatte, war in der Kirchenord-
nung (Nr. 5) beschlossen worden, jährlich zwei Synoden und Visitationen durchführen zu lassen.159 Die
erste Synode fand 1532 statt, zwei weitere folgten 1537 und 1539. Daneben wurden 1535 und 1543/44 zwei
Visitationen durchgeführt.160

151 Köhler, Ehegericht II, S. 65. Neben dem hier als Text-
vorlage gewählten Exemplar des StadtA Ulm (siehe
unten, S. 184 Anm. a), findet sich ein weiteres in der
StadtBibl Ulm, Signatur: 43 030 40, vgl. Krem-
mer/Specker, Policeyordnungen, Nr. 1624.
152 Zum Inhalt ausführlich Köhler, Ehegericht II,
S. 66-71.
153 Köhler, Ehegericht II, S. 69; Bucer, Deutsche Schrif-
ten 10, S. 168.
154 Köhler, Ehegericht II, S. 66. Stephen E. Buckwalter
in Bucer, Deutsche Schriften 10, S. 168 Anm. 23
bestreitet die Verfasserschaft Bucers angesichts der

wenigen theologischen Inhalte im nüchtern beschriebe-
nen Prozessablauf.
155 Vgl. Köhler, Ehegericht II, S. 71.
156 Siehe oben, S. 67.
157 Vgl. Specker/Weig, Einführung, S. 195; Hofer,
Reformation, S. 118-122.
158 Siehe oben, S. 67.
159 Siehe unten, S. 137f.
160 Zu sämtlichen Ulmer Synoden und Visitationen bis zum
Interim siehe Endriss, Ulmer Synoden, S. 7-218; vgl.
Hofer, Reformation, S. 119f.

74
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften