Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0456
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Biberach an der Riß

Gestalt reichte. Neben den Messen des Pfarrers fanden Predigtgottesdienste der evangelischen Geistlichen
statt. Die Pfarrkirche stand seit 1548 beiden Konfessionen offen. Die Katholiken feierten im Chor die
Messe, die Evangelischen im Langhaus ihre Gottesdienste.47

4. Täufermandat [nach 10. August 1549] (Text S. 451)
Unter den wenigen aus Biberach überlieferten Mandaten und Ordnungen zur Einführung der Reformation
findet sich eines, das sich mit der Täuferfrage während des Interims auseinandersetzt. Während der Rat das
entstehende Simultaneum von Evangelischen und Katholischen in seinen Mauern duldete, suchte er weitere
Glaubensrichtungen strikt abzuweisen.48 Vor allem die Tatsache, dass die Täufer die Menschen zum Weg-
zug aus Biberach aufgefordert hatten, veranlasste den Rat zum Handeln: Die Spitalpfleger in ihrer Funk-
tion als Zuchtherren49 mussten dem Rat alle ihnen bekannten Täufer melden.
Die Altgläubigen in Biberach, zu denen zahlreiche Patrizier gehörten, gewannen durch die von Kaiser
Karl V. oktroyierte Verfassungsänderung50 vom Winter 1551/52 an Einfluss: Sie stellten die Mehrheit im
städtischen Regiment und besetzten die politischen Schlüsselstellungen (Bürgermeister, Geheime Räte,
Stadtammann, Spitalpflege), wohingegen den Evangelischen die nachrangigen Ämter (Stadtrechnerei,
Kapellenpflege, Siechenpflege) blieben.51 Während die kaiserliche Wahlordnung die Protestanten in den
meisten anderen Reichsstädten langfristig nicht aus ihren Machtpositionen zu drängen vermochte, gelang
es den altgläubigen Patriziern in Biberach, ihre neugewonnene Stellung dauerhaft zu behaupten.52 Im Zuge
des Fürstenaufstands kam es in Biberach Ende Mai 1552 zwar kurzfristig zu einer Entmachtung des alt-
gläubigen Stadtregiments und zur Abschaffung der Messe durch die Protestanten, es blieb jedoch bei einem
Intermezzo: Nachdem der evangelische Magistrat ein Jahr lang mit der verordneten Schattenregierung -
dem „kaiserlichen Rat“ - gerungen hatte, gab er die Führung der Stadt auf Druck des Kaisers am
11. August 1553 wieder in die Hände der altgläubigen Patrizier zurück.53

47 Rüth, Reformation in Biberach, S. 281f.; ders., Bibe-
rach und Eberbach, S. 164; ders., Simultaneum, S. 19.
Zur Diskussion um den Beginn des Simultaneums siehe
Rüth, Simultaneum, S. 14f.; Warmbrunn, Parität,
S. 79-82.
48 Im Sommer 1534 hatte der Biberacher Rat außerdem
Graf Franz von Waldeck, Bischof von Münster
(1532-1553) gegen die Täufer finanziell unterstützt,
Luz, Biberach, S. 141.
49 Vgl. oben, S. 434.
50 Zu den Details der Regimentsänderung in Biberach siehe
Rüth, Reformation in Biberach, S. 282f,; vgl. Pfeif-
fer, Parität, S. 11f.; Diemer, Zwei Konfessionen,
S. 15. Abdruck der Wahlordnung bei Diemer, Quellen,
S. 27-38; Kramer, Simultanverhältnisse, S. 148f.;
Press, Biberach, S. 32-35.
51 Essich, Reformation, S. 65ff.; Luz, Biberach, S. 157f.;
Schier, Ursachen, S. 27ff.; Pfeiffer, Parität, S. 11;
Warmbrunn, Konfessionen, S. 117; Rüth, Biberach

und Eberbach, S. 161 Anm. 106; ders., Simultaneum,
S. 22; Ulrich, Heilig-Geist-Hospital, S. 75; Rummel,
Gegenreformation, S. 19, 39f.; Diemer, Zwei Konfessio-
nen, S. 15; ders., Geschichte Biberachs, S. 680. Wie sich
der Biberacher Rat nach der Verfassungsänderung
zusammensetzte, zeigt Warmbrunn, Konfessionen,
S. 119.
52 Warmbrunn, Konfessionen, S. 118; Rüth, Simulta-
neum, S. 22. Von den 15 Mitgliedern des Kleinen Rates
sollten acht bis neun Patrizier sein. Der Geheime Rat
setzte sich zusammen aus den drei patrizischen Bürger-
meistern, die sich alle vier Monate im Amt ablösten, und
je einem patrizischen und zünftigen Mitglied des Klei-
nen Rats, Diemer, Geschichte Biberachs, S. 679f.;
ders., Konfessionen, S. 15f.
53 Rüth, Simultaneum, S. 22f.; ders., Reformation in
Biberach, S. 284; Pfeiffer, Parität, S. 11; Ulrich,
Heilig-Geist-Hospital, S. 76; Diemer, Geschichte Bibe-
rachs, S. 680.

436
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften