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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0050
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Das Erzstift Köln

2. Kirchliche Reformen der 1530er Jahre

Eine evangelische Bewegung der 1520er Jahre lässt sich für das Gebiet des Erzstifts Köln allenfalls anneh-
men, aufgrund fehlender Quellen jedoch nicht genauer lokalisieren. Obwohl die Städte vielerorts zu refor-
matorischen Zentren wurden, konnte sich die neue Lehre in der Reichsstadt Köln nicht durchsetzen. Hier
verhinderten der Rat, das Domkapitel und die Universität ihre Ausbreitung. In Köln hielt man aus ver-
schiedenen Gründen am alten Glauben fest: Die Stadt war seit Jahrhunderten eine Metropole der Heili-
genverehrung, vor allem die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die 1164 nach Köln gelangt waren, zogen
zahlreiche Pilger an. Der Rat nahm aus politischen und wirtschaftlichen Motiven Rücksicht auf den Kaiser,
da die Handelsrouten in die habsburgischen Niederlande durch Köln führten. Der städtische Magistrat war
zudem personell mit der Universität verflochten, und diese verurteilte 1519 Luthers Lehre.5 1529 erlangte
die Abwehr reformatorischer Regungen in der Stadt ihren vorläufigen Höhepunkt, als die beiden Prediger
Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden aufgrund ihrer evangelischen Haltung hingerichtet wurden.6
1515 wurde Hermann V. von Wied vom Domkapitel zum Erzbischof von Köln gewählt. Seit 1532 war er
auch Administrator des Bistums Paderborn.7 Während Hermanns Regierung führte Herzog Johann III. in
den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg erste kirchliche Reformen durch. 1525 erließ er eine ent-
sprechende Ordnung, 1532/33 folgten weitere, die auf der Theologie des Erasmus von Rotterdam basier-
ten8. Der Herzog begründete seine Reformen damit, dass sich „vielerley myßbruych, wederwerdicheit,
nuwerongen unnd uffroir durch ungeschicklicheit der Prediger in unsern Fürstendommen, Landen unnd
gebieden zugedragen“9 hätten.10 Hier schwang auch der Vorwurf mit, die geistliche Obrigkeit - also der
Kölner Erzbischof - unternehme nichts gegen die Missstände, so dass er, Johann, als weltlicher Landesherr
auch zum Eingreifen in den kirchlichen Bereich gezwungen sei. Durch die somit von Johann III. bean-
spruchte geistliche Hoheit, sah sich der Kölner Erzbischof zum Handeln aufgerufen.11 Das Täuferregiment,
das sich 1533 in Münster formierte und den Zulauf zu radikalen Reformströmungen markierte, übte wei-
teren Druck auf ihn aus und im Juli 1535 erließ er ein Mandat für den Klerus der Erzdiözese Köln und des
Bistums Paderborn, in dem er dazu aufforderte, anlässlich der Eroberung der Stadt Münster Bitt- und
Dankgottesdienste zu halten und die Gläubigen vor den Täufern zu warnen.12
Der Erzbischof sah sich veranlasst, kirchliche Verbesserungen im Erzstift vorzunehmen. Er bezog den
Klever Herzog in seine Planungen ein, um dessen landeskirchliche Alleingänge künftig zu unterbinden.13 Im
Frühjahr 1535 trafen sich Hermann von Wied und Johann III. zu ersten Gesprächen, und Johannes Grop-
per14, der Jurist, Theologe und Meinungsführer des Kölner Domkapitels, arbeitete daraufhin einen Entwurf

5 Faulenbach, Das 16. Jahrhundert, S. 9f. Vgl. Bos-
bach, Köln, S. 64f.; Molitor, Hermann V. von Wied,
S. 295-300; ders., Erzbistum Köln, S. 354f.
6 Bosbach, Köln, S. 66f.; Goeters, Hermann von Wied,
S. 115-119; Molitor, Erzbistum Köln, S. 346-348. Vgl.
Faulenbach, Das 16. Jahrhundert, S. 60-79; Deckers,
Hermann von Wied, S. 163-167.
7 Zum Forschungsstand zu Hermann von Wied siehe den
Überblick bei Badea, Präeminenz, S. 13f. Vgl. Moli-
tor, Erzbistum Köln, S. 149-161. Zu Hermanns Pader-
borner Administratorenamt siehe Schröer, Reforma-
tion 2, S. 41-45; Brandt/Hengst, Erzbistum Pader-
born 2, S. 143-145.
8 Abdruck der Klever Ordnungen in Sehling, EKO XXI,
S. 49-72.
9 Kirchenordnung Jülich-Kleve-Berg von 1532, ebd., S. 52.
10 Vgl. Bosbach, Köln, S. 62; Niessen, Reformationsver-
such, S. 298-301.

11 Hermann von Wied protestierte gegen die Beschneidung
seiner erzbischöflichen und landesherrlichen Rechte,
Redlich, Kirchenpolitik I, Nr. 252. Vgl. Flüchter,
Zölibat, S. 176f.; Köhn, Entwurf, S. 19-24; Franzen,
Provinzialkonzil, S. 96-99; Hatzfeld, Dr. Gropper,
S. 211-213; Molitor, Erzbistum Köln, S. 88, 95.
12 Abdruck in Braunisch, Gropper Briefwechsel I, Nr. 11
und Redlich, Kirchenpolitik I, Nr. 261 S. 287-289. Vgl.
ARCEG II, S. 119; Becker, Duldung, S. 161-164;
Schulte, Neutralität, S. 50-57; Sommer, Hermann von
Wied 1, S. 328-347; Franzen, Provinzialkonzil, S. 99f.;
Molitor, Erzbistum Köln, S. 356-359. Ein ähnliches
Mandat erließ am 20. Juli 1535 auch Herzog Johann III.
für die Vereinigten Herzogtümer, Faulenbach, Das 16.
Jahrhundert, S. 112-114.
13 Siehe Sehling, EKO XXI, S. 33-39.
14 Johannes Gropper (1503-1559) stammte aus Soest und
studierte Rechtswissenschaften in Köln. 1526 wurde er

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