Einleitung
der „reformation der missbruich“ aus.15 Auch die herzoglichen Räte bereiteten Reformpunkte vor, die sie
bei den Verhandlungen mit den Vertretern Kurkölns vortrugen, die vom 29. Dezember 1535 bis zum 6.
Januar 1536 in Neuss stattfanden.16 Der Abschied der Neusser Sitzung sah die Fortsetzung der Gespräche
vor. Bevor es jedoch dazu kam, berief Hermann von Wied ein Provinzialkonzil ein, das vom 6. bis 9. März
1536 in Köln zusammentrat. Hier trafen sich die Vertreter sämtlicher Suffragane, die Kölner Stadtgeistlich-
keit sowie die Prälaten und Vorsteher der Kapitel. Im Zentrum der Beratungen standen die von Johannes
Gropper ausgearbeiteten Reformartikel, von denen sechs gestrichen, die übrigen aber angenommen und als
Provinzialstatuten erlassen wurden.17
Die Statuten umfassen 14 Abschnitte mit Regelungen zum Amt des Erzbischofs und des Säkular- und
Regularklerus, zur Predigt und Sakramentenspendung, zum Unterhalt des Pfarrklerus, zu kirchlichen Zere-
monien und Traditionen, zu Hospitälern, Waisenhäusern und Schulen, zur Tätigkeit von Buchdruckern und
Buchhändlern sowie schließlich zu strittigen kirchlichen Rechten sowie zu Visitationen und Synoden des
Erzbischofs und der Archidiakone.18
Hermann von Wied plante, die in den Provinzialstatuten fixierten Reformen durch eine großangelegte
Visitation seiner Erzdiözese umzusetzen. 1537 erließ er hierfür eine Visitationsordnung,19 in der er den
Ablauf bis hin zu einzelnen Fragen für sämtliche Personenkreise detailliert festhielt. Die Visitation wurde
jedoch letztlich nur innerhalb des Domkapitels durchgeführt, in den Kölner Stadt- und Diözesanpfarreien
lassen sich keinerlei Aktivitäten feststellen.20
In den Jahren 1536 und 1537 kamen die Räte des Kurfürsten und des Klever Herzogs jedoch mehrfach
zusammen, um über die Durchsetzung der kirchlichen Reformen innerhalb der Diözese zu beraten.21 1538
wurden die Statuten der Provinzialsynode gedruckt,22 letztlich scheinen sie jedoch keine praktische Wir-
kung entfaltet zu haben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So musste Johannes Gropper, der Verfasser der
Statuten, aufgrund einer Erkrankung seinen Dienst am kurfürstlichen Hof quittieren, und Herzog Johann
III. von Kleve zog sich von der weiteren Mitarbeit zurück.23 Möglicherweise hing Hermanns Zögern, die
Statuten in seiner Diözese durchzusetzen, auch damit zusammen, dass er 1538 bereits der evangelischen
Lehre gegenüber aufgeschlossen war und ihm die in den Statuten festgehaltenen Reformen nicht weit genug
gingen.24
18 Abdruck der Statuten in ARCEG II, Nr. 72, S. 192-305,
vgl. die gekürzte deutschsprachige Zusammenfassung
ebd., Nr. 73, S. 305-318. Abdruck auch bei Deckers,
Hermann von Wied, S. 187-211. Zum Inhalt siehe Lip-
gens, Johannes Gropper, S. 55-63; Köhn, Entwurf,
S. 27-30; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 356-359;
Flüchter, Zölibat, S. 177f.; Varrentrapp, Hermann
von Wied, S. 76-78.
19 „Formula ad quam visitatio intra diocoesim Coloniensem
exigetur“, Staats- und Stadtbibliothek Augsburg 2 Th H
123; Digitalisat: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/
resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsbl 1203916-9
[27.9.2016]. Vgl. Molitor, Erzbistum Köln, S. 362.
20 Becker, Konfessionalisierung, S. 5; Köhn, Entwurf,
S. 26; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 359f.
21 Abdruck in ARCEG II, Nr. 57, 59-65 und Redlich,
Kirchenpolitik I, Nr. 264f., 267f. Vgl. Franzen, Bischof
und Reformation, S. 52f.; ders., Provinzialkonzil, S. 107-
110; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 360.
22 Schreiben vom 3. März 1538, abgedruckt bei Gescher,
Synodalschreiben, S. 130-132. Vgl. ebd., S. 123-130;
Franzen, Bischof und Reformation, S. 53f.
23 Köhn, Entwurf, S. 27. Vgl. Franzen, Bischof und Refor-
mation, S. 57; Mölitor, Hermann von Wied, S. 301.
Großsiegler Erzbischof Hermanns von Wied und 1527
Scholaster an St. Gereon in Köln. Daneben besaß er wei-
tere Kanonikate in Köln und Soest. Er stand an der
Spitze des Widerstands gegen den Kölner Reformations-
versuch und versuchte, das Interim im Erzstift Köln
durchzusetzen, Böhmer, Johannes Gropper, S. 33-52, 49
Anm. 1; Braunisch, Art. Gropper, in: TRE 14 (1985),
S. 266-270; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 585-587;
Deckers, Hermann von Wied, S. 216-225.
15 ARCEG II, S. 119; Köhn, Entwurf, S. 24f.
16 Abdruck in Redlich, Kirchenpolitik I, Nr. 262, S. 289-
292. Zur Zusammenkunft in Neuss siehe ebd., Nr. 263,
S. 293-299; ARCEG II, Nr. 51-55, S. 133-165; Fran-
zen, Provinzialkonzil, S. 102f.
17 Abdruck in ARCEG IV, Nr. 52-55; Franzen, Provinzi-
alkonzil, S. 95-110; ders., Bischof und Reformation,
S. 44-52; Lipgens, Johannes Gropper, S. 51-66; Flüch-
ter, Zölibat, S. 176-179. Vgl. Braunisch, Gropper
Briefwechsel I, Nr. 51; Köhn, Entwurf, S. 24-26; Pol-
let, Martin Bucer 1, S. 96-103; Sommer, Hermann von
Wied 1, S. 348-356; Goeters, Hermann von Wied,
S. 121-124; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 54-60;
Molitor, Erzbistum Köln, S. 359-364; Varrentrapp,
Hermann von Wied, S. 72-74.
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der „reformation der missbruich“ aus.15 Auch die herzoglichen Räte bereiteten Reformpunkte vor, die sie
bei den Verhandlungen mit den Vertretern Kurkölns vortrugen, die vom 29. Dezember 1535 bis zum 6.
Januar 1536 in Neuss stattfanden.16 Der Abschied der Neusser Sitzung sah die Fortsetzung der Gespräche
vor. Bevor es jedoch dazu kam, berief Hermann von Wied ein Provinzialkonzil ein, das vom 6. bis 9. März
1536 in Köln zusammentrat. Hier trafen sich die Vertreter sämtlicher Suffragane, die Kölner Stadtgeistlich-
keit sowie die Prälaten und Vorsteher der Kapitel. Im Zentrum der Beratungen standen die von Johannes
Gropper ausgearbeiteten Reformartikel, von denen sechs gestrichen, die übrigen aber angenommen und als
Provinzialstatuten erlassen wurden.17
Die Statuten umfassen 14 Abschnitte mit Regelungen zum Amt des Erzbischofs und des Säkular- und
Regularklerus, zur Predigt und Sakramentenspendung, zum Unterhalt des Pfarrklerus, zu kirchlichen Zere-
monien und Traditionen, zu Hospitälern, Waisenhäusern und Schulen, zur Tätigkeit von Buchdruckern und
Buchhändlern sowie schließlich zu strittigen kirchlichen Rechten sowie zu Visitationen und Synoden des
Erzbischofs und der Archidiakone.18
Hermann von Wied plante, die in den Provinzialstatuten fixierten Reformen durch eine großangelegte
Visitation seiner Erzdiözese umzusetzen. 1537 erließ er hierfür eine Visitationsordnung,19 in der er den
Ablauf bis hin zu einzelnen Fragen für sämtliche Personenkreise detailliert festhielt. Die Visitation wurde
jedoch letztlich nur innerhalb des Domkapitels durchgeführt, in den Kölner Stadt- und Diözesanpfarreien
lassen sich keinerlei Aktivitäten feststellen.20
In den Jahren 1536 und 1537 kamen die Räte des Kurfürsten und des Klever Herzogs jedoch mehrfach
zusammen, um über die Durchsetzung der kirchlichen Reformen innerhalb der Diözese zu beraten.21 1538
wurden die Statuten der Provinzialsynode gedruckt,22 letztlich scheinen sie jedoch keine praktische Wir-
kung entfaltet zu haben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So musste Johannes Gropper, der Verfasser der
Statuten, aufgrund einer Erkrankung seinen Dienst am kurfürstlichen Hof quittieren, und Herzog Johann
III. von Kleve zog sich von der weiteren Mitarbeit zurück.23 Möglicherweise hing Hermanns Zögern, die
Statuten in seiner Diözese durchzusetzen, auch damit zusammen, dass er 1538 bereits der evangelischen
Lehre gegenüber aufgeschlossen war und ihm die in den Statuten festgehaltenen Reformen nicht weit genug
gingen.24
18 Abdruck der Statuten in ARCEG II, Nr. 72, S. 192-305,
vgl. die gekürzte deutschsprachige Zusammenfassung
ebd., Nr. 73, S. 305-318. Abdruck auch bei Deckers,
Hermann von Wied, S. 187-211. Zum Inhalt siehe Lip-
gens, Johannes Gropper, S. 55-63; Köhn, Entwurf,
S. 27-30; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 356-359;
Flüchter, Zölibat, S. 177f.; Varrentrapp, Hermann
von Wied, S. 76-78.
19 „Formula ad quam visitatio intra diocoesim Coloniensem
exigetur“, Staats- und Stadtbibliothek Augsburg 2 Th H
123; Digitalisat: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/
resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsbl 1203916-9
[27.9.2016]. Vgl. Molitor, Erzbistum Köln, S. 362.
20 Becker, Konfessionalisierung, S. 5; Köhn, Entwurf,
S. 26; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 359f.
21 Abdruck in ARCEG II, Nr. 57, 59-65 und Redlich,
Kirchenpolitik I, Nr. 264f., 267f. Vgl. Franzen, Bischof
und Reformation, S. 52f.; ders., Provinzialkonzil, S. 107-
110; Sommer, Hermann von Wied 1, S. 360.
22 Schreiben vom 3. März 1538, abgedruckt bei Gescher,
Synodalschreiben, S. 130-132. Vgl. ebd., S. 123-130;
Franzen, Bischof und Reformation, S. 53f.
23 Köhn, Entwurf, S. 27. Vgl. Franzen, Bischof und Refor-
mation, S. 57; Mölitor, Hermann von Wied, S. 301.
Großsiegler Erzbischof Hermanns von Wied und 1527
Scholaster an St. Gereon in Köln. Daneben besaß er wei-
tere Kanonikate in Köln und Soest. Er stand an der
Spitze des Widerstands gegen den Kölner Reformations-
versuch und versuchte, das Interim im Erzstift Köln
durchzusetzen, Böhmer, Johannes Gropper, S. 33-52, 49
Anm. 1; Braunisch, Art. Gropper, in: TRE 14 (1985),
S. 266-270; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 585-587;
Deckers, Hermann von Wied, S. 216-225.
15 ARCEG II, S. 119; Köhn, Entwurf, S. 24f.
16 Abdruck in Redlich, Kirchenpolitik I, Nr. 262, S. 289-
292. Zur Zusammenkunft in Neuss siehe ebd., Nr. 263,
S. 293-299; ARCEG II, Nr. 51-55, S. 133-165; Fran-
zen, Provinzialkonzil, S. 102f.
17 Abdruck in ARCEG IV, Nr. 52-55; Franzen, Provinzi-
alkonzil, S. 95-110; ders., Bischof und Reformation,
S. 44-52; Lipgens, Johannes Gropper, S. 51-66; Flüch-
ter, Zölibat, S. 176-179. Vgl. Braunisch, Gropper
Briefwechsel I, Nr. 51; Köhn, Entwurf, S. 24-26; Pol-
let, Martin Bucer 1, S. 96-103; Sommer, Hermann von
Wied 1, S. 348-356; Goeters, Hermann von Wied,
S. 121-124; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 54-60;
Molitor, Erzbistum Köln, S. 359-364; Varrentrapp,
Hermann von Wied, S. 72-74.
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