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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0053
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Einleitung

Domkapitels als nur einem der vier Landstände war letztlich so groß, dass die Kirchenordnung im Erzstift
Köln als offizielles Landesgesetz keine Gültigkeit erlangte, lediglich einzelne Teile - die Gottesdienstord-
nungen, die Agenden für Abendmahl und Taufe sowie die Abschaffung der Bildwerke in den Kirchen -
wurden mancherorts umgesetzt.35
Neben den Bemühungen um die Kirchenordnung hatte Hermann von Wied am 13. April 1543 noch eine
Ordnung für das Erzbistum Köln sowie das Bistum Paderborn erlassen, in der er gegen das Prozessions-
wesen vorging. In der „Christlichen Verbesserung der Creutzgheng und anstellung gemeines gepetts“36
sprach er sich insbesondere gegen Flurprozessionen aus, die mit „lichtferdicheyt und aberglauben“ von-
statten gingen, da die Gläubigen meinten, damit „abwendong des ungewetters und mißwas“ herbeiführen
zu können. Anstelle von Prozessionen, die einem stark verdinglichten Heiligenkult entsprachen, sollten
künftig Bittgottesdienste gehalten werden. Bereits in den Statuten des Kölner Provinzialkonzils von 1536
war im neunten Artikel geregelt worden, die Feldprozessionen zugunsten von Gottesdiensten abzuschaf-
fen.37 Da die Konzilsstatuten jedoch nicht umgesetzt worden waren, schärfte Hermann von Wied die
Abschaffung der Flurprozessionen 1543 erneut ein.
Ähnliche Maßnahmen hatte auch Johann III. von Kleve für die Vereinigten Herzogtümern ergriffen. In
der Kirchenordnung vom 3. Juli 1525 hatte er angeordnet, niemanden zu Heiligenumgängen zu drängen,
und gemäß der Deklaration zur Kirchenordnung von 1533 sollten diese andächtig und ohne große Prunk-
entfaltung durchgeführt werden, um den Andachtscharakter der Umgänge wieder stärker hervorzuhe-
ben.38 Am 26. Juni 1546 untersagte Wilhelm V. von Kleve schließlich generell die Durchführung von Pro-
zessionen und hielt die Gläubigen dazu an, stattdessen die Bittgottesdienste zu besuchen.39
1544 wurde in Bonn bei Laurenz von der Mülen, dem „Hofdrucker“ Erzbischof Hermanns von Wied,
eine Predigtordnung, die „Formulae quaedam caute et citra scandalum loquendi“, gedruckt.40 Diese Schrift
hatte Urbanus Rhegius 1535 verfasst, die erste deutsche Übersetzung erschien im Jahr darauf in Wittenberg
bei Hans Lufft.41 Sie wurde 1576 in die corpora doctrinae von Wolfenbüttel und Lüneburg aufgenom-
men.42 Ob Hermann von Wied den Druck der „Formulae“ in Bonn in Auftrag gab, um sie im Erzstift Köln
einzuführen,43 bleibt jedoch fraglich.
Die Opposition, die sich 1543 infolge des erzbischöflichen Reformationsversuchs in den Reihen des
Domkapitels um Johannes Gropper formiert hatte, appellierte 1544 an Papst und Kaiser. Die daraus
hervorgegangenen reichsrechtlichen Verfahren führten im April 1546 zur Amtsenthebung und Exkommu-
nikation des Erzbischofs. Das Urteil wurde jedoch erst im August 1546 publiziert und auf dem Kölner
Landtag am 24. Januar 1547 vollstreckt, indem die kaiserlichen Kommissare die Temporalien auf den
bisherigen Koadjutor Adolf von Schaumburg (1547-1556) übertrugen und diesen umgehend als Hermanns

Franzen, Bischof und Reformation, S. 93; Schlüter,
Flug- und Streitschriften, S. 29, 193f.; Jedin, Fragen,
S. 696; Molitor, Erzbistum Köln, S. 376f.
35 Köhn, Entwurf, S. 63f.; Franzen, Bischof und Refor-
mation, S. 94-107; Bosbach, Köln, S. 69; Schlüter,
Flug- und Streitschriften, S. 89. Der Reformationsver-
such Hermanns von Wied stieß auf ein ausgedehntes
publizistisches Echo, siehe Schlüter, Flug- und Streit-
schriften; Strohm, Berufung, S. 123-145.
36 Abdruck in Bucer, Deutsche Schriften 11,1, S. 449-455.
Vgl. Schlüter, Flug- und Streitschriften, S. 90, S. 178f.
Nr. 26; Piel, Albert, Geschichte des ältesten Bonner
Buchdrucks. Zugleich ein Beitrag zur rheinischen Refor-
mations-Geschichte und -Bibliographie, in: RhA 4 (1924),
S. 13, 29, 67 Nr. 4; Vgl. Varrentrapp, Hermann von
Wied, S. 186f.; Molitor, Erzbistum Köln, S. 748.
37 Siehe oben, Anm. 18. Vgl. Cox, Prozessionsbrauchtum,

S. 60f.; Molitor, Mehr mit den Augen, S. 91; ders., Erz-
bistum Köln, S. 735.
38 Zu den Klever Kirchenordnungen siehe oben, Anm. 8.
Vgl. Cox, Prozessionsbrauchtum, S. 59f.
39 Sehling, EKO XXI, S. 41. Vgl. Finger, Kirche am
Niederrhein, S. 252; Molitor, Mehr mit den Augen,
S. 93.
40 VD16 R 1801, Digitalisat unter: http://gateway-
bayern.de/VD 16+R+1801 [26.9.2016], Vgl. Schlüter,
Flug- und Streitschriften, S. 238f. Nr. 113.
41 VD16 1735 und 1736, Abdruck der deutschen Fassung bei
Uckeley, Urbanus Rhegius, S. 27-96. Vgl. Krum-
wiede, Vom reformatorischen Glauben, S. 43-48.
42 Hendrix, Art. Rhegius, in: TRE 29, S. 155-157; Seh-
ling, EKO VII/1, S. 226 Anm. 56; Krumwiede, Vom
reformatorischen Glauben, S. 43f.
43 So Schlüter, Flug- und Streitschriften, S. 94-99.

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