Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0054
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Erzstift Köln

Nachfolger inthronisierten. Am 26. Januar 1547 erklärte Hermann von Wied seinen Rücktritt als Admi-
nistrator des Bistums Paderborn, am 25. Februar denjenigen als Erzbischof von Köln. Adolf von Schaum-
burg war vom Domkapitel auf das Bekenntnis zum alten Glauben verpflichtet worden, und diese Katho-
lizitätsformel findet sich auch in den Wahlkapitulationen der übrigen Erzbischöfe des 16. Jahrhunderts.44
Nachdem das Amtsenthebungsverfahren gegen Hermann von Wied bereits eingeleitet worden war,
bemühte sich dieser noch um die Einführung der Reformation in einigen Städten seines Hochstifts, nament-
lich in Neuss, Kempen und Kaiserswerth, für die er im Juni und Juli 1546 jeweils eigene Kirchenordnungen
erließ.45
Mit dem Rezess46 für die Stadt Neuss vom 21. Juni 1546 wollte Hermann von Wied zum einen zwischen
den streitenden Parteien innerhalb der Stadt vermitteln, zum anderen eine gezielte Reformationspolitik
betreiben. Der Rezess umfasst 14 Punkte. In den beiden ersten entfaltete Hermann von Wied seine refor-
matorischen Pläne für die Stadt. Er kündigte an, evangelische Prediger zu entsenden, die die Sakramente
nach Christi Einsetzung spenden sollten, und ermahnte die Gläubigen, die Gottesdienste zu besuchen.
Ferner sollten fähige Schulmeister angestellt und eine öffentliche Fürsorge für die Armen errichtet werden.
Weitere Artikel betrafen Sittenzucht, Ratsverfassung, die Nutzung der Stadtwälle, das Gerichtswesen und
die Türkensteuer.47
Hermann von Wied schickte evangelische Prediger nach Neuss, darunter Johannes Praetorius. Ferner
setzte er sechs neue Schöffen und Ratsherren ein, von denen einige evangelisch waren. Die Verfassung des
Rats tastete er jedoch nicht an. Ferner ging er auch hier gegen das Prozessionswesen vor, das er zugunsten
von Gottesdiensten untersagte.48 Nach 1546 konnten sich zwar einige evangelische Gruppen in Neuss
behaupten, die Stadt scheint jedoch überwiegend beim alten Glauben geblieben zu sein, auch, als 1565
reformierte Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden nach Neuss kamen.49
Neben Neuss war auch die kleine Stadt Kempen ein reformatorisches Zentrum innerhalb des Erzstifts
Köln.50 Die größtenteils evangelische Bevölkerung stand einem überwiegend altgläubigen Rat gegenüber.
1542/43 taten sich 57 Personen zusammen und sandten eine Bittschrift51 an Hermann von Wied, in der sie
die Anstellung eines evangelischen Predigers forderten. Der Erzbischof begab sich persönlich nach Kempen
und erließ am 1. Juli 1546 eine Reformationsordnung,52 in der er zusagte, evangelische Prediger nach
Kempen zu entsenden. Daneben enthält die Ordnung Anweisungen für die Küster, die das überflüssige
Altargerät und die Kirchenkleinodien wegschließen sollten, um der evangelischen Liturgiereform nachzu-
kommen. Ebenso wie der Neusser Rezess wurde auch in der Kempener Reformationsordnung die Anstel-
lung von Schulmeistern, der Unterhalt der Armen sowie die Sittenzucht geregelt und einige Veränderungen
bei der Besetzung der Ratsherrenämter angekündigt.53 Infolge der Reformationsinitiative Hermanns von

44 Zu den Rechtsverfahren siehe Badea, Präeminenz,
S. 78-221. Vgl. Braunisch, Gropper Briefwechsel I,
Nr. 136ff.; Wolgast, Hochstift, S. 97f., 136; Lipgens,
Reformationsversuche, S. 46-73; Jedin, Fragen, S. 698f.;
Floss/Pastor, Actenstücke, S. 134-176; Schlüter,
Flug- und Streitschriften, S. 100-110; Varrentrapp,
Hermann von Wied, S. 236-280; Deckers, Hermann
von Wied, S. 116-148.
45 Laux, Reformationsversuche; Badea, Präeminenz,
S. 204; Lipgens, Johannes Gropper, S. 157 Anm. 47;
Krafft, Reformationsordnung, S. 103f., Pollet, Mar-
tin Bucer 1, S. 187-199.
46 Abdruck in Lau, Kurkölnische Städte 1, Nr. 162, S. 221-
228.
47 Laux, Reformationsversuche, S. 140f.; Gilliam, Refor-
mation, S. 30f.
48 Laux, Reformationsversuche, S. 118-126, 138-140, 144-

148, 160-165; Lau, Kurkölnische Städte 1, S. 33*f., S. 228
Nr. 163.
49 Laux, Reformationsversuche, S. 124f., 148-160, 164f.;
Gilliam, Reformation, S. 34f.
50 Zur Reformationsgeschichte in Kempen siehe Laux,
Reformationsversuche, S. 172-227; Pollet, Martin
Bucer 1, S. 187-191, S. 264-279; Peters, Kempen,
S. 87-116.
51 Abdruck in Krafft, Carl, Briefe Melanthons, Bucers
und der Freunde und Gegner derselben, in: TARWPV 2
(1874), S. 12-91, hier S. 43f. und Faulenbach, Das 16.
Jahrhundert, S. 147. Vgl. Laux, Reformationsversuche,
S. 208f.; Peters, Kempen, S. 90f.; Molitor, Erzbistum
Köln, S. 380f.
52 Abdruck in Krafft, Reformationsgeschichte, S. 154-
160.
53 Zum Inhalt siehe Laux, Reformationsversuche, S. 227-

36
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften