Die Grafschaft Wittgenstein
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1511) wurde die Grafschaft unter den beiden ältesten Söhnen Graf
Eberhards I. in die beiden Linien Wittgenstein-Hohenstein und Wittgenstein-Berleburg geteilt. Den südlich
gelegenen Hohensteiner Landesteil regierte Wilhelm d.Ä. (reg.1517-1558)10 von Schloss Wittgenstein (bei
Laasphe) aus, den nördlichen Berleburger sein Bruder Johann VII. (reg.1517—1551)11 von der Residenz in
Berleburg. Diese Teilung hatte nur wenige Jahrzehnte Bestand, denn als Johann 1551 ohne männlichen
Erben starb, fiel sein Herrschaftsteil an seinen Bruder zurück. Wilhelm d.Ä. regierte die wieder vereinigte
Grafschaft bis 1558 gemeinsam mit seinem Sohn Wilhelm d. J., danach trat dessen Bruder Ludwig I. (1532-
1605) die Alleinherrschaft an, die er bis 1603 inne hatte.
Die Kirchen im Wittgensteiner Kernland unterstanden dem Erzbistum Mainz. Die Grafschaft gehörte
zum Dekanat Arfeld, der dem Archidiakonat St. Stephan unterstand. Im 15. Jahrhundert besaß die Graf-
schaft 14 Pfarrkirchen.12 Die Herrschaft Homburg gehörte zum Dekanat Siegburg des Erzbistums Köln,
hier bestanden vier Pfarreien: Nümbrecht, Wiehl, Waldbröl und Morsbach.13 Die Herrschaft Vallendar
unterstand dem Erzbistum Trier.
2. Die Reformation unter Johann VII. und Wilhelm d.Ä. seit 1534
Die Anfänge der Reformation in der Grafschaft Wittgenstein sind aufgrund der schlechten Überlieferungs-
lage nur schwer zu greifen. Viele Dokumente sind verloren, die Eckdaten sind lediglich aus der chronika-
lischen Überlieferung der Stadt Berleburg bekannt.14 Erst für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts liegt
ausgiebiges Material vor.
1521 hatten die Fürsten der Hohensteiner und der Berleburger Linie - Wilhelm d.Ä. und Johann VII. -
Landgraf Philipp von Hessen zum Reichstag nach Worms begleitet und dort auch das Auftreten Martin
Luthers erlebt. Reformatorische Maßnahmen ergriffen die Brüder jedoch erst in den 1530er Jahren. Für den
nördlichen Landesteil der Grafschaft gilt die im Oktober 1534 geschlossene Ehe Johanns VII. mit Marga-
rete von Henneberg-Schleusingen (1508-1546) als Ausgangspunkt für die Hinwendung zur neuen Lehre.
Margarete war im Zuge der frühen evangelischen Bewegung in Mitteldeutschland aus dem Kloster ausge-
treten und hatte den evangelischen Glauben angenommen.15 Aufgrund ihres Einflusses auf ihren Gatten
wurden 1534 in der Berleburger Schlosskapelle evangelische Gottesdienste gefeiert. Auch der Berleburger
Pfarrer Hermann Schmalz bekannte sich in diesem Jahr zur neuen Lehre, weitere Pfarrstellen im Land
wurden mit evangelischen Geistlichen besetzt. Die Bevölkerung stand der Reformation jedoch ablehnend
gegenüber und hielt an Gebräuchen der alten Kirche fest.16
Hessen, S. 516f., 519; Düwell, Reformation 2012,
S. 58.
10 Zu Wilhelm I. siehe Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-Ber-
leburg, S. 114-118; Neweling, Geschichte, S. 207.
11 Zu Johann VII. siehe Düwell, Reformation 2012, S. 60f.
12 Wrede, Territorialgeschichte, S. 103-113; Burkardt
u.a., Kirchen des Kirchenkreises, S. 19-21; Classen,
Wilhelm, Die kirchliche Organisation Alt-Hessens im
Mittelalter samt einem Umriß der neuzeitlichen Entwick-
lung (SIGLH 8), Marburg 1929, S. 117-120, 142-147. Zu
den einzelnen Pfarrorten siehe auch das Ortslexikon, ebd.,
S. 124-189; Pfau, Zeitspuren, S. 165-184; Hundt,
St. Marien, S. 8-24; Schröer, Reformation 1, S. 208.
13 Heckmann, Geschichte, S. 13*—20*; Corbach, Verhält-
nisse, S. 28-83. Zu den Pfarrverhältnissen in Homburg
siehe auch unten, S. 72.
14 Hartnack, Chroniken.
15 Kroh, Wiederentdeckung, S. 18; Schröer, Anteil,
S. 650; Hundt, St. Marien, S. 25f.; Borgmeyer, Refor-
mation, S. 179; Neweling, Geschichte, S. 204f.; Hins-
berg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 95-98. Einen
Forschungsüberblick zur Wittgensteiner Reformations-
geschichte gibt Burkardt, Kirchenordnung, S. 55f.
16 Schröer, Reformation 1, S. 210f., 218f.; Kroh, Wieder-
entdeckung, S. 33; Herbers, Beiträge, S. 90-92; Newe-
ling, Geschichte, S. 205f.; Hinsberg, Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg, S. 118-120; Hartnack, Chroniken,
S. 51. Klein, Verhältnisse, S. 25.
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Zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1511) wurde die Grafschaft unter den beiden ältesten Söhnen Graf
Eberhards I. in die beiden Linien Wittgenstein-Hohenstein und Wittgenstein-Berleburg geteilt. Den südlich
gelegenen Hohensteiner Landesteil regierte Wilhelm d.Ä. (reg.1517-1558)10 von Schloss Wittgenstein (bei
Laasphe) aus, den nördlichen Berleburger sein Bruder Johann VII. (reg.1517—1551)11 von der Residenz in
Berleburg. Diese Teilung hatte nur wenige Jahrzehnte Bestand, denn als Johann 1551 ohne männlichen
Erben starb, fiel sein Herrschaftsteil an seinen Bruder zurück. Wilhelm d.Ä. regierte die wieder vereinigte
Grafschaft bis 1558 gemeinsam mit seinem Sohn Wilhelm d. J., danach trat dessen Bruder Ludwig I. (1532-
1605) die Alleinherrschaft an, die er bis 1603 inne hatte.
Die Kirchen im Wittgensteiner Kernland unterstanden dem Erzbistum Mainz. Die Grafschaft gehörte
zum Dekanat Arfeld, der dem Archidiakonat St. Stephan unterstand. Im 15. Jahrhundert besaß die Graf-
schaft 14 Pfarrkirchen.12 Die Herrschaft Homburg gehörte zum Dekanat Siegburg des Erzbistums Köln,
hier bestanden vier Pfarreien: Nümbrecht, Wiehl, Waldbröl und Morsbach.13 Die Herrschaft Vallendar
unterstand dem Erzbistum Trier.
2. Die Reformation unter Johann VII. und Wilhelm d.Ä. seit 1534
Die Anfänge der Reformation in der Grafschaft Wittgenstein sind aufgrund der schlechten Überlieferungs-
lage nur schwer zu greifen. Viele Dokumente sind verloren, die Eckdaten sind lediglich aus der chronika-
lischen Überlieferung der Stadt Berleburg bekannt.14 Erst für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts liegt
ausgiebiges Material vor.
1521 hatten die Fürsten der Hohensteiner und der Berleburger Linie - Wilhelm d.Ä. und Johann VII. -
Landgraf Philipp von Hessen zum Reichstag nach Worms begleitet und dort auch das Auftreten Martin
Luthers erlebt. Reformatorische Maßnahmen ergriffen die Brüder jedoch erst in den 1530er Jahren. Für den
nördlichen Landesteil der Grafschaft gilt die im Oktober 1534 geschlossene Ehe Johanns VII. mit Marga-
rete von Henneberg-Schleusingen (1508-1546) als Ausgangspunkt für die Hinwendung zur neuen Lehre.
Margarete war im Zuge der frühen evangelischen Bewegung in Mitteldeutschland aus dem Kloster ausge-
treten und hatte den evangelischen Glauben angenommen.15 Aufgrund ihres Einflusses auf ihren Gatten
wurden 1534 in der Berleburger Schlosskapelle evangelische Gottesdienste gefeiert. Auch der Berleburger
Pfarrer Hermann Schmalz bekannte sich in diesem Jahr zur neuen Lehre, weitere Pfarrstellen im Land
wurden mit evangelischen Geistlichen besetzt. Die Bevölkerung stand der Reformation jedoch ablehnend
gegenüber und hielt an Gebräuchen der alten Kirche fest.16
Hessen, S. 516f., 519; Düwell, Reformation 2012,
S. 58.
10 Zu Wilhelm I. siehe Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-Ber-
leburg, S. 114-118; Neweling, Geschichte, S. 207.
11 Zu Johann VII. siehe Düwell, Reformation 2012, S. 60f.
12 Wrede, Territorialgeschichte, S. 103-113; Burkardt
u.a., Kirchen des Kirchenkreises, S. 19-21; Classen,
Wilhelm, Die kirchliche Organisation Alt-Hessens im
Mittelalter samt einem Umriß der neuzeitlichen Entwick-
lung (SIGLH 8), Marburg 1929, S. 117-120, 142-147. Zu
den einzelnen Pfarrorten siehe auch das Ortslexikon, ebd.,
S. 124-189; Pfau, Zeitspuren, S. 165-184; Hundt,
St. Marien, S. 8-24; Schröer, Reformation 1, S. 208.
13 Heckmann, Geschichte, S. 13*—20*; Corbach, Verhält-
nisse, S. 28-83. Zu den Pfarrverhältnissen in Homburg
siehe auch unten, S. 72.
14 Hartnack, Chroniken.
15 Kroh, Wiederentdeckung, S. 18; Schröer, Anteil,
S. 650; Hundt, St. Marien, S. 25f.; Borgmeyer, Refor-
mation, S. 179; Neweling, Geschichte, S. 204f.; Hins-
berg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 95-98. Einen
Forschungsüberblick zur Wittgensteiner Reformations-
geschichte gibt Burkardt, Kirchenordnung, S. 55f.
16 Schröer, Reformation 1, S. 210f., 218f.; Kroh, Wieder-
entdeckung, S. 33; Herbers, Beiträge, S. 90-92; Newe-
ling, Geschichte, S. 205f.; Hinsberg, Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg, S. 118-120; Hartnack, Chroniken,
S. 51. Klein, Verhältnisse, S. 25.
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