Die Grafschaft Wittgenstein
folger. Bis zu diesem Zeitpunkt lässt Ludwigs Lebenslauf nicht darauf schließen, dass er eine Neigung zum
evangelischen Bekenntnis besaß. Als er 1558 die Regierung seines Landes übernahm, das unter seinem Vater
evangelisch geworden war, muss er entweder einen persönlichen Zugang zur neuen Lehre gefunden oder sich
aus politischen Gründen dazu entschlossen haben, die evangelische Kirchenpolitik seines Vaters uneinge-
schränkt fortzusetzen.37
Ludwig I. konsolidierte in den folgenden Jahren nicht nur das evangelische Kirchenwesen in seinem
Land, sondern begründete während seiner langen Regierungszeit auch die neuzeitliche Verwaltung, indem er
in den 1560er und 1570er Jahren zahlreiche Ordnungen für verschiedene Rechtsbereiche erließ und diese
schließlich 1579 im sogenannten Wittgensteiner Landrecht zusammenfasste. Dieser Codex mit dem Titel
„Ordnungen des Herrn Ludwig von Seyn, Grave zu Witgenstein, Herrn zu Homburg etc. 1579“ ist nur in
einem einzigen handschriftlichen Exemplar erhalten, das in der Bibliothek des Amtsgerichts Bad Berleburg
aufbewahrt wird.38
Das Wittgensteiner Landrecht umfasst zehn Ordnungen:
1. Polizeiordnung 1573
2. Schreibereiordnung [vor 1579]
3. Kirchenordnung 1563
4. Kirchenordnung [1565]
5. Eheordnung 1579
6. Hofordnung 1570
7. Holzordnung 1579
8. Gerichtsordnung 1579
9. Gerichts- und Polizeiordnung der Herrschaft Homburg 1563
10. Holzordnung der Herrschaft Homburg 1569
Die einzelnen Ordnungen wurden von dem Girkhäuser Pfarrer Johannes Guden († 1587) aufgezeichnet.39 Er
schrieb jede Ordnung zunächst einzeln auf und versah sie mit der Bogenzählung Al, A2, A3 etc., anschlie-
ßend vereinigte er sie in einem Band und nummerierte die Blätter fortlaufend von 1 bis 215. Für unsere
Edition sind nicht nur die beiden im Wittgensteiner Landrecht überlieferten Kirchenordnungen und die
Eheordnung von Interesse, sondern auch einige, das Kirchenwesen betreffende Abschnitte in der Polizei-
sowie der Hofordnung.
37 Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 22f.; Düwell, Reforma-
tion 2012, S. 61; Stupperich, Reformationsgeschichte,
S. 189; Schröer, Reformation 1, S. 216; Bauer, Refor-
mation Wittgenstein, S. 34-38; Kroh, Wiederentdek-
kung, S. 31; Pampus, Ludwig, S. 26-31; Heckmann,
Geschichte, S. 37-45; ders., Reformation, S. 21f.;
Winckel, Aus dem Leben Ludwigs, S. 9-12, 63-68; Ne-
weling, Ludwig, S. 225-227.
38 Amtsgericht Bad Berleburg Codex O Nr. 1. Ein Digitali-
sat des Codex bewahrt das LAV NRW W unter der Signa-
tur Sammlung Fot. 925 auf. Nachdem Wittgenstein
Anfang des 19. Jahrhunderts preußisch geworden war,
hatten sich die neuen Landesherren das Wittgensteiner
Landrecht aushändigen lassen, um zu prüfen, welche Teile
daraus als provinzialstatutarisches Partikularrecht in
Kraft bleiben sollten. Auf diesem Wege kam der Codex
aus den Beständen des Schlossarchivs in Berleburg in den
Besitz der Justiz. Freundlicher Hinweis von Dr. Johannes
Burkardt, Münster. Zum Abdruck des Landrechts durch
Wilhelm Hartnack vgl. die Rezension von Wolfgang
Leiser in ZSRG.G 78 (1961), S. 412-415. Vgl. Hart-
nack, Landrecht, S. 9; Pampus, Ludwig, S. 39-43; Ne-
weling, Ludwig, S. 232f.; Hinsberg, Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg, S. 159-163.
39 Hartnack, Landrecht, S. 12f. rekonstruiert anhand der
Wasserzeichen im Papier, in welcher Reihenfolge Guden
die einzelnen Ordnungen aufzeichnete.
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folger. Bis zu diesem Zeitpunkt lässt Ludwigs Lebenslauf nicht darauf schließen, dass er eine Neigung zum
evangelischen Bekenntnis besaß. Als er 1558 die Regierung seines Landes übernahm, das unter seinem Vater
evangelisch geworden war, muss er entweder einen persönlichen Zugang zur neuen Lehre gefunden oder sich
aus politischen Gründen dazu entschlossen haben, die evangelische Kirchenpolitik seines Vaters uneinge-
schränkt fortzusetzen.37
Ludwig I. konsolidierte in den folgenden Jahren nicht nur das evangelische Kirchenwesen in seinem
Land, sondern begründete während seiner langen Regierungszeit auch die neuzeitliche Verwaltung, indem er
in den 1560er und 1570er Jahren zahlreiche Ordnungen für verschiedene Rechtsbereiche erließ und diese
schließlich 1579 im sogenannten Wittgensteiner Landrecht zusammenfasste. Dieser Codex mit dem Titel
„Ordnungen des Herrn Ludwig von Seyn, Grave zu Witgenstein, Herrn zu Homburg etc. 1579“ ist nur in
einem einzigen handschriftlichen Exemplar erhalten, das in der Bibliothek des Amtsgerichts Bad Berleburg
aufbewahrt wird.38
Das Wittgensteiner Landrecht umfasst zehn Ordnungen:
1. Polizeiordnung 1573
2. Schreibereiordnung [vor 1579]
3. Kirchenordnung 1563
4. Kirchenordnung [1565]
5. Eheordnung 1579
6. Hofordnung 1570
7. Holzordnung 1579
8. Gerichtsordnung 1579
9. Gerichts- und Polizeiordnung der Herrschaft Homburg 1563
10. Holzordnung der Herrschaft Homburg 1569
Die einzelnen Ordnungen wurden von dem Girkhäuser Pfarrer Johannes Guden († 1587) aufgezeichnet.39 Er
schrieb jede Ordnung zunächst einzeln auf und versah sie mit der Bogenzählung Al, A2, A3 etc., anschlie-
ßend vereinigte er sie in einem Band und nummerierte die Blätter fortlaufend von 1 bis 215. Für unsere
Edition sind nicht nur die beiden im Wittgensteiner Landrecht überlieferten Kirchenordnungen und die
Eheordnung von Interesse, sondern auch einige, das Kirchenwesen betreffende Abschnitte in der Polizei-
sowie der Hofordnung.
37 Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 22f.; Düwell, Reforma-
tion 2012, S. 61; Stupperich, Reformationsgeschichte,
S. 189; Schröer, Reformation 1, S. 216; Bauer, Refor-
mation Wittgenstein, S. 34-38; Kroh, Wiederentdek-
kung, S. 31; Pampus, Ludwig, S. 26-31; Heckmann,
Geschichte, S. 37-45; ders., Reformation, S. 21f.;
Winckel, Aus dem Leben Ludwigs, S. 9-12, 63-68; Ne-
weling, Ludwig, S. 225-227.
38 Amtsgericht Bad Berleburg Codex O Nr. 1. Ein Digitali-
sat des Codex bewahrt das LAV NRW W unter der Signa-
tur Sammlung Fot. 925 auf. Nachdem Wittgenstein
Anfang des 19. Jahrhunderts preußisch geworden war,
hatten sich die neuen Landesherren das Wittgensteiner
Landrecht aushändigen lassen, um zu prüfen, welche Teile
daraus als provinzialstatutarisches Partikularrecht in
Kraft bleiben sollten. Auf diesem Wege kam der Codex
aus den Beständen des Schlossarchivs in Berleburg in den
Besitz der Justiz. Freundlicher Hinweis von Dr. Johannes
Burkardt, Münster. Zum Abdruck des Landrechts durch
Wilhelm Hartnack vgl. die Rezension von Wolfgang
Leiser in ZSRG.G 78 (1961), S. 412-415. Vgl. Hart-
nack, Landrecht, S. 9; Pampus, Ludwig, S. 39-43; Ne-
weling, Ludwig, S. 232f.; Hinsberg, Sayn-Wittgen-
stein-Berleburg, S. 159-163.
39 Hartnack, Landrecht, S. 12f. rekonstruiert anhand der
Wasserzeichen im Papier, in welcher Reihenfolge Guden
die einzelnen Ordnungen aufzeichnete.
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