Einleitung
2. Kirchenordnung 14. Juni 1563 (Text S. 96)
Wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt bemühte sich Ludwig I. um eine neue Kirchenordnung. Im
Frühjahr 1560 war Nikolaus Zell mit der Überarbeitung der Ordnung von 1555 befasst, am 3. Mai dieses
Jahres sandte er dem Grafen das Konzept einiger von der Synode entworfener Punkte zu.40 Im Frühjahr
1563 beriet die Synode erneut über die Kirchenordnung, und am 14. Juni dieses Jahres wurde sie unter dem
Titel „Reformationis ecclesiasticae repetitio“ veröffentlicht.41 Trotz des Titels stellte die Ordnung keine
schlichte Wiederholung ihrer Vorgängerin von 1555 dar, sondern enthält gegeniiber dieser zahlreiche Ver-
änderungen und zusätzliche Punkte, insbesondere zu kirchlichen Zeremonien, so dass von einer eigenstän-
digen Ordnung gesprochen werden muss.
Anstelle einer Vorrede wird die Ordnung mit einer kurzen Passage aus Heinrich Bullingers Schrift „De
origine erroris libri duo“ eröffnet, in der die Bedeutung der Reformation als Erneuerung bzw. Wiederher-
stellung des alten Zustands hervorgehoben wird. Anschließend folgt die Ansprache, mit der Nikolaus Zell
1563 die Synode eröffnet hatte, bei der über die Kirchenordnung beraten worden war. Zell erklärte, dass
Graf Ludwig von der Sorge um das Wohl der Kirche erfüllt sei, und forderte die Synodalen zum Gebet sowie
zu gemeinsamem Einsatz für die Ziele des Grafen auf.42 Die Ordnung regelt Anstellung und Unterhalt der
Pfarrer und Prediger, Synoden und Visitationen, Sakramentenspendung und andere kirchliche Zeremonien,
geltende Fest- und Feiertage, Hochzeits- und Tauffeiern.43
Gegenüber der Ordnung von 1555 fällt die neue etwas kürzer aus, wobei sie jedoch stärker auf die
Liturgie und somit auf die konfessionelle Ausprägung des evangelischen Kirchenwesens eingeht. Ebenso wie
ihre Vorgängerin vereint sie lutherische und oberdeutsche Charakterzüge.44 Als Lehrgrundlage beruft sie
sich einerseits auf die Confessio Augustana sowie Melanchthons Apologie von 1531, schreibt Luther-Lieder
vor, orientiert sich hinsichtlich der Sakramentenspendung an der sächsischen Kirchenordnung Herzog
Heinrichs von 153945, lässt lateinische Elemente in der Liturgie zu und macht zahlreiche Heiligen- und
Marienfeiertage verbindlich. Andererseits greift sie einleitend auf eine Schrift Heinrich Bullingers zurück
und enthält durch die Einsetzung der „seniores“, die als Vertreter der Gemeinde an den Visitationen und
der Kirchenzucht beteiligt sind, presbyteriale Elemente.
40 Dies geht aus dem Tagebuch Graf Ludwigs hervor:
„Dominus Nicolaus [Cellus] pastor Lasphensis quaedam
in synodo concepta de Ecclesiis nostris reformandis mihi 42
exhibuit. Cui me operam daturum respondi, ut ista in
effectum deducantur, ut postulat necessitas“, zitiert nach 43
Burkardt, Kirchenordnung, S. 72 Anm. 41; vgl.
Winckel, Aus dem Leben Ludwigs, S. 26; Bauer,
Reformation Wittgenstein, S. lOlff. Die für die Jahre
1559 bis 1605 mit wenigen Lücken erhaltenen Tagebücher 44
Ludwigs I. werden im LWL Archivamt, Münster, unter
der Signatur Ber. HssRT 3-01 bis 3-07 aufbewahrt, Digi-
talisat: http: //www. archive .nrw. de/weitereArchive/privat
archive/AdelspflegeWestfLippe/BenutzungderAdelsarchiv
e/index.php [13.10.2014].
41 Burkardt, Kirchenordnung, S. 69, 72f. Wie aus einem
Schreiben Graf Ludwigs I. an Landgraf Philipp I. von
1569 hervorgeht, war Nikolaus Zell der alleinige Verfasser 45
der Kirchenordnung von 1563, siehe ebd., S. 69 Anm. 32.
Neben der im Wittgensteiner Landrecht überlieferten
Fassung der Kirchenordnung existiert noch eine jüngere
Abschrift im Archiv des Kirchenkreises Wittgenstein
(Kirchengemeinde Birkelbach, Nr. 40), angefertigt vom
Birkelbacher Pfarrer Julius Nase (1861-1946), der die
Ordnung drucken lassen wollte, freundlicher Hinweis von
Dr. Johannes Burkardt, Münster.
Vgl. Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 44; Klam-
mer, Nikolaus Zell, S. 54f.
Zum Inhalt siehe Schröer, Reformation 1, S. 220-223;
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 44-47; Kroh,
Wiederentdeckung, S. 35-37; Reu, Quellen I/III,1/2,
S. 1177*-1179*; Herbers, Beiträge, S. 94-104.
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 48 geht davon aus,
dass die Kirchenordnung von 1563 die „Doctrina chri-
stiana zum Maßstab“ nehme und damit zeige, „daß in ihr
der Geist Melanchthons lebendig bleiben sollte“. Obwohl
die Ordnung nicht von „doctrina christiana“ spricht,
schlussfolgert Bauer, dass hiermit die Sammlung von
Lehrschriften gemeint sei, die Melanchthon 1559 zusam-
menstellte.
Wann die Agende Herzog Heinrichs in Wittgenstein ein-
geführt wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise galt die
sächsische Ordnung bereits 1555, als die Wittgensteiner
Kirchenordnung erlassen wurde, denn mit ihrem agenda-
rischen Charakter hätte sie die Wittgensteiner Ordnung
inhaltlich ergänzt. Abdruck der sächsischen Kirchenord-
nung von 1539 in Sehling, EKO I, S. 264-281.
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2. Kirchenordnung 14. Juni 1563 (Text S. 96)
Wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt bemühte sich Ludwig I. um eine neue Kirchenordnung. Im
Frühjahr 1560 war Nikolaus Zell mit der Überarbeitung der Ordnung von 1555 befasst, am 3. Mai dieses
Jahres sandte er dem Grafen das Konzept einiger von der Synode entworfener Punkte zu.40 Im Frühjahr
1563 beriet die Synode erneut über die Kirchenordnung, und am 14. Juni dieses Jahres wurde sie unter dem
Titel „Reformationis ecclesiasticae repetitio“ veröffentlicht.41 Trotz des Titels stellte die Ordnung keine
schlichte Wiederholung ihrer Vorgängerin von 1555 dar, sondern enthält gegeniiber dieser zahlreiche Ver-
änderungen und zusätzliche Punkte, insbesondere zu kirchlichen Zeremonien, so dass von einer eigenstän-
digen Ordnung gesprochen werden muss.
Anstelle einer Vorrede wird die Ordnung mit einer kurzen Passage aus Heinrich Bullingers Schrift „De
origine erroris libri duo“ eröffnet, in der die Bedeutung der Reformation als Erneuerung bzw. Wiederher-
stellung des alten Zustands hervorgehoben wird. Anschließend folgt die Ansprache, mit der Nikolaus Zell
1563 die Synode eröffnet hatte, bei der über die Kirchenordnung beraten worden war. Zell erklärte, dass
Graf Ludwig von der Sorge um das Wohl der Kirche erfüllt sei, und forderte die Synodalen zum Gebet sowie
zu gemeinsamem Einsatz für die Ziele des Grafen auf.42 Die Ordnung regelt Anstellung und Unterhalt der
Pfarrer und Prediger, Synoden und Visitationen, Sakramentenspendung und andere kirchliche Zeremonien,
geltende Fest- und Feiertage, Hochzeits- und Tauffeiern.43
Gegenüber der Ordnung von 1555 fällt die neue etwas kürzer aus, wobei sie jedoch stärker auf die
Liturgie und somit auf die konfessionelle Ausprägung des evangelischen Kirchenwesens eingeht. Ebenso wie
ihre Vorgängerin vereint sie lutherische und oberdeutsche Charakterzüge.44 Als Lehrgrundlage beruft sie
sich einerseits auf die Confessio Augustana sowie Melanchthons Apologie von 1531, schreibt Luther-Lieder
vor, orientiert sich hinsichtlich der Sakramentenspendung an der sächsischen Kirchenordnung Herzog
Heinrichs von 153945, lässt lateinische Elemente in der Liturgie zu und macht zahlreiche Heiligen- und
Marienfeiertage verbindlich. Andererseits greift sie einleitend auf eine Schrift Heinrich Bullingers zurück
und enthält durch die Einsetzung der „seniores“, die als Vertreter der Gemeinde an den Visitationen und
der Kirchenzucht beteiligt sind, presbyteriale Elemente.
40 Dies geht aus dem Tagebuch Graf Ludwigs hervor:
„Dominus Nicolaus [Cellus] pastor Lasphensis quaedam
in synodo concepta de Ecclesiis nostris reformandis mihi 42
exhibuit. Cui me operam daturum respondi, ut ista in
effectum deducantur, ut postulat necessitas“, zitiert nach 43
Burkardt, Kirchenordnung, S. 72 Anm. 41; vgl.
Winckel, Aus dem Leben Ludwigs, S. 26; Bauer,
Reformation Wittgenstein, S. lOlff. Die für die Jahre
1559 bis 1605 mit wenigen Lücken erhaltenen Tagebücher 44
Ludwigs I. werden im LWL Archivamt, Münster, unter
der Signatur Ber. HssRT 3-01 bis 3-07 aufbewahrt, Digi-
talisat: http: //www. archive .nrw. de/weitereArchive/privat
archive/AdelspflegeWestfLippe/BenutzungderAdelsarchiv
e/index.php [13.10.2014].
41 Burkardt, Kirchenordnung, S. 69, 72f. Wie aus einem
Schreiben Graf Ludwigs I. an Landgraf Philipp I. von
1569 hervorgeht, war Nikolaus Zell der alleinige Verfasser 45
der Kirchenordnung von 1563, siehe ebd., S. 69 Anm. 32.
Neben der im Wittgensteiner Landrecht überlieferten
Fassung der Kirchenordnung existiert noch eine jüngere
Abschrift im Archiv des Kirchenkreises Wittgenstein
(Kirchengemeinde Birkelbach, Nr. 40), angefertigt vom
Birkelbacher Pfarrer Julius Nase (1861-1946), der die
Ordnung drucken lassen wollte, freundlicher Hinweis von
Dr. Johannes Burkardt, Münster.
Vgl. Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 44; Klam-
mer, Nikolaus Zell, S. 54f.
Zum Inhalt siehe Schröer, Reformation 1, S. 220-223;
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 44-47; Kroh,
Wiederentdeckung, S. 35-37; Reu, Quellen I/III,1/2,
S. 1177*-1179*; Herbers, Beiträge, S. 94-104.
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 48 geht davon aus,
dass die Kirchenordnung von 1563 die „Doctrina chri-
stiana zum Maßstab“ nehme und damit zeige, „daß in ihr
der Geist Melanchthons lebendig bleiben sollte“. Obwohl
die Ordnung nicht von „doctrina christiana“ spricht,
schlussfolgert Bauer, dass hiermit die Sammlung von
Lehrschriften gemeint sei, die Melanchthon 1559 zusam-
menstellte.
Wann die Agende Herzog Heinrichs in Wittgenstein ein-
geführt wurde, ist nicht bekannt. Möglicherweise galt die
sächsische Ordnung bereits 1555, als die Wittgensteiner
Kirchenordnung erlassen wurde, denn mit ihrem agenda-
rischen Charakter hätte sie die Wittgensteiner Ordnung
inhaltlich ergänzt. Abdruck der sächsischen Kirchenord-
nung von 1539 in Sehling, EKO I, S. 264-281.
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